„Westfälischer Friede in Münster“   
Gerard Terborsch 1648, Rijksmuseum Amsterdam

Herzog Christian von Braunschweig
1599-1626, protestantischer Söldnerheer- führer
Paulus Moreels, 1619 Anton-Ulrich-Museum, Braunschweig

Johann T´Serclaes Tilly  1559-1632   Oberbefehlshaber der katholischen Liga    Künstler unbekannt

Gustav Adolph 1594-1632
König von Schweden
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Herzog Bernhard von Sachsen-Weimar
1604-1639, nach 1632  Oberbefehlshaber der schwedisch-protestantischen Armee
 
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Anselm Casimir Wambolt von Umstadt, Kurfürst und Erzbischof von Mainz (1629-1647)   www.wikipedia.de

Rheinschleife (Kühkopf) bei Erfelden vor dem Durchstich 1829                                    Die Schweden setzten wenige Kilometer südwestlich von Erfelden über
de.wikipedia.org/Kühkopfdurchstich

Die Schwedensäule am Kühkopf an der Stelle des Rheinübergangs der Schweden. Erbaut 1632 auf Geheiß von Gustav Adolph.
Aufnahme 2010

Die Mainmündung mit der Gustavsburg. Links der Mainmündung die Maarau, dahinter Kostheim. Im Vordergrund die Karthause auf dem Michelsberg in Mainz. Merian 1633

Graf Mathias von Gallas  1588-1647 Oberbefehlshaber der kaiserlichen Belagerungsarmee 1635
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Henri de la Tour d’Auvergne, Vicomte de Turenne 1611-1675                        Generalfeldmarschall der französischen Truppen  Philippe de Champaigne

Schlacht bei Höchst 22. 6. 1622. Die Braunschweiger fliehen in Panik über die Schiffbrücke, im Hintergrund die heranrückenden Truppen von Tilly.   Unbekannter Künstler

Auf dieser Seite soll keine Kurzfassung des 30-jährigen Krieges entstehen.  Andererseits lassen sich die Kriegsereignisse in Flörsheim, von denen bisher so gut wie nichts bekannt war, nicht verstehen, ohne einige Facetten des „globalen“ Kriegsverlaufs zu kennen, die deshalb skizzenhaft mit einbezogen werden.
Viele Historiker unterteilen den Krieg in vier Teilkriege, die sich allerdings gegenseitig bedingten und ineinander übergingen: Der Böhmisch-Pfälzische Krieg (1618-1623), der Dänisch-Niedersächsische Krieg (1623-1629), der Schwedische Krieg (1630-1635) und der Schwedisch-Französische Krieg (1635-1648). Flörsheim war vom ersten, dritten und vierten Teilkrieg betroffen
.
Der Verlauf des Krieges mit Fokus auf Flörsheim ist im Folgenden aus Gründen der Übersichtlichkeit kompendiarisch und teilweise stichwortartig dargestellt. Die Flörsheim direkt betreffenden Passagen sind im Text rot hervorgehoben.
Um nicht hinter jedem Satz einen Literaturverweis unterbringen zu müssen: Diese Seite nimmt im wesentlichen Bezug auf die Werke [Müller 1979], [Schaab 1835], [Bodmann 1812], [Zanthier 1779], [Neuhold 2011], [Lahrkamp 1999], [Schüler 1887] und natürlich auf die Flörsheimer Bürgermeisterrechnungen 1633 - 1640.

1620 Februar: Mainzer Domkapitulare bereiten die Einwohner von Hochheim und Flörsheim auf den Krieg vor.

1622: Braunschweiger Truppen unter Führung des protestantischen Herzogs Christian von Braunschweig ziehen in Hessen nach Süden in der Absicht, sich mit den Heeren der Söldnerführer Ernst von Mansfeld und Friedrich von Baden-Durlach bei Darmstadt zu vereinigen.

Juni: Die Truppen erreichen Höchst, das sie nach Ablehnung einer Kapitulation der Höchster besetzen, um hier den Mainübergang zu sichern. Höchst und die gesamte Umgebung werden geplündert. Oberursel, Eschborn und Sulzbach werden zerstört. Als die Braunschweiger eine Schiffbrücke über den Main fertiggestellt hatten, erreicht Johannes Tilly, der Oberbefehlshaber der katholischen Liga, mit 20.000 Infanteristen und 6.000 Reitern Höchst und drängt die Braunschweiger Richtung Main, die in Panik vor der Übermacht der Tilly’schen Truppen über den Main nach Süden fliehen. Dabei verlieren sie mehr Soldaten durch Ertrinken im Main als durch Kämpfe .

Für die Flörsheimer war diese Schlacht in unmittelbarer Nähe mit den Folgen der Nahrungsknappheit und dem Anblick Hunderter von Leichen und Pferdekadavern, die im Main an Flörsheim vorbeitrieben, die erste Bekanntschaft mit dem Krieg.

1623:  Die Zahl der Toten in Flörsheim ist mehr als doppelt so hoch als normal (siehe Kirchenbuch).

1624-1630: Fronarbeiten Flörsheimer Männer in der Festung Mainz (6 Tage/Monat für 3 alb Lohn/Tag). Kleinere Truppendurchmärsche und Einquartierungen, sonst keine besonderen Kriegsvorkommnisse.

1630 Juli: Der schwedische König Gustav Adolph landet mit einem disziplinierten und modern ausgerüsteten Heer bei Peenemünde, um in den Krieg auf Seiten der Protestanten einzugreifen. Er verbündet sich mit Herzog Bernhard von Sachsen-Weimar.

1631 September: Nach der verheerenden Niederlage der kaiserlich-ligistischen Truppen in der Schlacht von Breitenfeld entwickelt Gustav Adolph territoriale Interessen und beschließt, einen Schwedischen Staat im strategisch wichtigen Rhein-Main-Gebiet mit Mainz als Zentrum zu errichten. Er plant die Eroberung von Mainz..

Die schwedisch-sächsische Armee vor der Schlacht bei Breitenfeld bestand aus etwa 40.000 Mann. Ein solches Heer inkl. Tross vertilgt 800 Zentner Brot, 400 Zentner Fleisch und 120.000 Liter Bier pro Tag. Die Pferde und mitgeführte Rinder und Schafe weiden täglich etwa 160 Ha ab [Oltmer 2013].

November: Die Schweden nehmen zusammen mit den verbündeten sächsischen Truppen unter Herzog Bernhard von Sachsen-Weimar die mainzischen Städte Hanau und Höchst ein. Die Hauptmacht der Truppen lagert bei Frankfurt, das sich als freie Reichsstadt mehr oder weniger neutral verhält. Gustav Adolph lässt bei Höchst Schiffe ausrüsten für einen Angriff auf Mainz von der Mainmündung aus. Der Mainzer Kurfürst lässt den Main kurz vor der Mündung durch Pfähle und versenkte Schiffe blockieren. Danach flieht er nach Köln ins Exil.

Schwedische Truppenteile erscheinen vor Flörsheim und Hochheim. Ohne Aussicht auf Gegenwehr öffnet Hochheim die Tore [Schüler 1887]. In Hochheim und Flörsheim gab es keine kaiserlichen Truppen. Flörsheim und Hochheim werden schwedisch besetzt.

Bei [Großmann 1953] kann man lesen: „Gustav Adolph musste vor Flörsheim seinen Vormarsch gegen den Rhein unterbrechen. Acht Tage lang belagerte er die Bastion. Dann musste sich die Besatzung dem Schwedenkönig und seiner Heeresmacht ergeben. Die Ortschaft wurde von plündernden Truppen stark verwüstet“.
Das entbehrt jeder historischen Grundlage: Die Hauptmacht der Schweden zog von Sachsenhausen aus südlich des Mains in Richtung Rhein. Zwischen Besatzern und Besetzten  herrschte anfänglich ein gutes Verhältnis [Schüler 1887]. Mainz, eine der stärksten damaligen Festungen und mit 2.000 Mann Besatzung ergab sich wenige Tage später ohne Belagerung kampflos. Gustav Adolph hatte zu der Zeit Plünderungen untersagt [Müller 1979].
Gustav Adolph stand mit seiner Hauptmacht nie vor Flörsheim. Flörsheim wurde 1631 weder geplündert noch verwüstet, allerdings in späteren Jahren des Krieges , siehe weiter unten.
Die zu Beginn dieses Abschnitts zitierte, ursprünglich von Ph. Schneider stammende Aussage wurde von einigen Flörsheimer Heimatforschern ungeprüft übernommen und findet sich auch 2021 noch in dem Wikipedia-Artikel zur Geschichte Flörsheim.

Die Schweden räumen die Mainsperre und bauen bei Kostheim eine Schiffbrücke über den Main, nachdem Gustav Adolph den Plan, Mainz von der Mainmündung aus anzugreifen, aufgegeben hatte. Die Hauptmacht der Schweden geht bei Sachsenhausen über den Main und zieht Richtung Rhein. Gustav Adolph berät sich mit dem verbündeten Landgrafen von Hessen-Darmstadt über einen günstigen Rheinübergang, um Mainz von Süden her anzugreifen. Der Rest der schwedischen Truppen geht bei Kostheim über die Schiffbrücke, um sich südlich des Mains mit der Haupttruppe zu vereinigen. Gernsheim wird eingenommen.

Dezember: 7. 12. - 17. 12. Schwedische Truppenteile überqueren den Rhein und zwingen die im Kühkopf (Abb.  rechts) verschanzten spanischen Einheiten trotz eigener Unterzahl zur Flucht. Das schwedische Hauptheer setzt auf Nachen montierten Scheunentoren westlich von Erfelden über. Oppenheim wird eingenommen und die spanische Besatzung vernichtet.

Dezember 22.: Das gesamte schwedische Heer steht im Süden von Mainz. Mainz braucht nicht belagert zu werden; die Besatzung (etwa 2.000 Spanier) ergibt sich fast kampflos.

Dezember 25.: Gustav Adolph zieht feierlich in Mainz ein. Er lässt eine Dankesmesse feiern – viele Mainzer singen mit (Die spanische Besatzung hatte den Mainzern übel mitgespielt). Die nicht von Klerus und Mönchen verlassenen Kirchen und Klöster bleiben unangetastet, katholische Gottesdienste sind erlaubt. Für Mainz wird eine Kontribution von 80.000 RT (120.000 fl) festgesetzt.

1632: Im „Schwedischen Staat“ bleibt das Lehnswesen unangetastet. Verwaltung und Recht werden nach schwedischen Maßgaben neu geordnet. Dem gesamten Untermaingebiet werden enorme Kontributionen auferlegt. Im November fällt Gustav Adolph in der Schlacht bei Lützen. Herzog Bernhard von Sachsen-Weimar übernimmt den Oberbefehl über die schwedisch-sächsischen Truppen. Der schwedische Kanzler Oxenstierna übernimmt die Regentschaft über die besetzten Gebiete.

Nach der Einnahme von Mainz schlägt das ursprünglich gute Verhältnis zwischen Besatzern und Einwohnern ins Gegenteil um. Viele Flörsheimer werden zu Frondiensten für den Bau der Gustavsburg gezwungen. Die Besatzer nehmen sich an Nahrungsmitteln und Wein, was sie wollen, der Rest muss in die Gustavsburg geliefert werden.
Hoher Verlust an Vieh; einige Einwohner wandern ab. Die Zahl der Toten erreicht 80 (normal 25), siehe Kirchenbuch.

1633: Das Flörsheimer Gericht hat nicht mehr viel zu sagen. Der von den Schweden als Verwalter von Flörsheim eingesetzte Kommissar Hepp, ein Frankfurter Bürger, presst Flörsheim aus.. Der Herr isst Rindfleisch, Wildenten, Tauben, Lammfleisch, Speck, der in Mainz beschafft werden muss, Pasteten, Kuchen und Weißbrot. Die meisten Flörsheimer kannten Weißbrot nur vom Hörensagen. Sein Hund wird mit Brot gefüttert, während die Flörsheimer hungern. Er setzt sich Ende 1633 rechtzeitig nach Frankreich ab, nachdem er die Flörsheimer Schultheiße gezwungen hatte, ihm 600 fl zu liefern, die in Frankfurt beschafft werden mussten.

1634 September 6.: Schlacht bei Nördlingen. Das schwedisch-protestantische Heer wird von kaiserlichen Truppen vernichtend geschlagen. Die Schweden verlieren fast die Hälfte ihrer Armee. Im Laufe des September und Oktober versuchen die nicht mehr disziplinierbaren und demoralisierten Truppenreste sich am Main entlang nach Mainz zu retten.

In Flörsheim müssen die Pforten repariert werden. Die Eindringversuche der schwedischen Truppenreste sind aber gescheitert. Sie hatten es eilig, nach Mainz zu kommen, da sie wussten, dass kaiserliche Truppen unter Führung des Generals Graf Mathias von Gallas in Richtung Mainz unterwegs waren.
Die Situation in Flörsheim verschlechtert sich trotzdem weiter: Die Verwaltungsausgaben liegen unter dem schon niedrigen Niveau von 1633, die kriegsbedingten Ausgaben steigen. Keine regulären Steuereinnahmen (siehe BMR).  Der letzte Eintrag des Gerichtsschreibers Johannes Hart in GB 1620 - 1636 ist vom 6. September (siehe Gerichtsbücher).

1635 März: Die kaiserlichen Truppen unter Gallas erreichen Flörsheim [Müller 1979] und bereiten die Rückeroberung von Mainz vor. Was noch an Nahrung übrig war, wird von den kaiserlichen Truppen herausgepresst. „Es gab keinen Unterschied im Treiben der kaiserlichen Truppen verglichen mit den Schweden“ [Schüler 1887]. In Flörsheim gibt es fast keine Nahrungsmittel mehr. Prozessionen finden nicht mehr statt. Viele Flörsheimer verlassen das Dorf. Durch Spenden einiger Bürger wird ein Notbetrieb der Verwaltung aufrecht erhalten. Die kriegsbedingten Ausgaben betragen 190 fl. Am Ende des Jahres ist die Gemeinde mit 210 fl im Minus.

Mai 5.: Der Prager Friedensschluss zwischen dem Kaiser und Kursachsen führt zu einem Erstarken des habsburgischen Kaisertums, was die Franzosen, die bisher die Schweden nur finanziell unterstützt hatten, zum Kriegseintritt veranlasst.

Juli: Gallas verwandelt die Gustavsburg in „einen Steinhaufen“, zieht sich dann aber nach Oppenheim zurück, da er die Stärke der wiedereingesammelten Weimar‘ schen Truppen und der nahenden Franzosen nicht einschätzen kann. Der Mainzer Festungskommandant Gisbert von Hohendorff erobert die Reste der Gustavsburg zurück.

Oberst Reinhold Rosen (1605-1667) vertreibt von Mainz aus die kaiserlichen Truppen aus Flörsheim und Rüsselsheim. Flörsheim muss schwedische Schutzsoldaten aufnehmen und bezahlen (... als wir die 4 quartten so Vohm Rosischen undt Backermans regiment abbeZahlt haben).

Bernhard von Sachsen-Weimar schlägt zwischen Hochheim und Kostheim ein befestigtes Lager auf. Die französischen Truppen unter General La Valette vereinigen sich mit den Weimar’schen Truppen bei Hochheim. Zusammen unternehmen sie von dort aus Plünderungszüge im Untermaingebiet.

Die Niederpforte wird aufgebrochen. Flörsheim wird geplündert.
Einige Flörsheimer begeben sich in den trügerischen Schutz der Rüsselsheimer Festung. Von Mainz ausgehend bricht dort die Pest aus. Franz Ruppert und einer seiner Söhne sterben in Rüsselsheim an der Pest.

Der Eddersheimer Schultheiß wird auf grausame Weise ermordet .

September: Bernhard von Weimar und La Valette brechen das Lager bei Hochheim ab und ziehen nach Metz, da die Truppe in schlechtem Zustand ist. Hohendorff kann nicht mehr auf Entsatz hoffen. Gallas schließt den Belagerungsring um Mainz enger. Die Reste der Gustavsburg werden von kaiserlichen Truppen eingenommen. Rüsselsheim wird geplündert (Der Landgraf von Hessen-Darmstadt stand jetzt auf der “falschen” Seite).

November: In Mainz und in der gesamten Umgebung herrscht eine unbeschreibliche Hungersnot. Die Äbtissin des Klosters Dahlheim schreibt: „Es ist kein Pferde-, Hunde- oder Katzenfleisch mehr verfügbar. Die Menschen essen verfaultes Schuhleder und Gras“. Der Flörsheimer Gerichtschreiber Johannes Hart weicht mit den Gerichtsbüchern nach Frankfurt aus.

1636 Februar 2.: Hohendorff kapituliert. Die schwedische Besatzung erhält freies Geleit nach Metz. Dort kommen von 3.000 Mann nur 1.000 an. Der Rest ist dissertiert und zieht marodierend durch die Umgebung von Mainz und das Untermaingebiet und versucht, durch Plünderung zu überleben.

Einige dieser marodierenden Landsknechtshaufen versuchen in Flörsheim einzudringen. An die Flörsheimer Einwohner werden Lunten und Pulver ausgeteilt. Die Flörsheimer bilden einen Ausschuss (Das Wort kommt von “schießen”) und verteidigen sich zusammen mit einigen kaiserlichen Soldaten unter Fähnrich Koch erfolgreich. Den Soldaten wird Wein an die Pforten und Mauern gebracht, damit sie sich wacker wehren solten.
Zur Reparatur der Niederpforte wird vom Gericht eine Sondersteuer festgesetzt, die aber nur von 40 Hausständen erhoben werden kann. In der zweiten Jahreshälfte entspannt sich die Lage in Flörsheim; Prozessionen  finden wieder statt, die kriegsbedingten Ausgaben sinken.

Juli: Der Mainzer Kurfürst kommt aus seinem Kölner Exil zurück und versucht, wieder „normale“ Verhältnisse im Erzstift herzustellen. In Mainz sind 11.000 Häuser zerstört.

1637: Huldigung (Treueeid) der seit 1620 zugezogenen Flörsheimer Einwohner in Hochheim. Die Verwaltungs-ausgaben steigen deutlich, die Kriegskosten liegen unter 20 fl. Keine Kriegsereignisse.

1638/1639: Keine direkten Kriegsereignisse in Flörsheim. Die Verwaltungsausgaben stabilisieren sich, Ausgaben für Prozessionen nehmen zu. Die Einnahmen decken allerdings nicht die Ausgaben. 1639 wird die “eiserne Kiste” mit den Gerichtsbüchern, von Frankfurt nach Flörsheim zurückgeholt.

1640: Übergriffe schwedisch-weimarischer Truppenteile im Untermaingebiet, die auch Höchst und Hanau wieder besetzen.
In Flörsheim übersteigen die Kriegskosten wieder die von 1636. Prozessionen finden nicht mehr statt.

Flörsheim wird wieder geplündert.

 Einträge aus der BMR 1640:
1 fl 2,5 b einem Man Vohn Walla mit nahmen Wenckhaussen geben, welcher Unsseren Eber als er in der schwedischen plünderungh hinwegh geloffen Vohn Massenheim witter ahn hero gebracht
-  4 b Vohr 1 mass wein geben, den ienigen so das Gemein Korn Vohrn speücher getragen in der plünderungh undt in gefahr
Die Tore und die Stiege der Niederpforte müssen ausgebessert werden. Die Flörsheimer Nachen müssen nach Höchst geliefert werden

1641/1642/1643: Die Übergriffe schwedischer Truppen dauern an. Flörsheim scheint  vor weiteren Plünderungen verschont worden zu sein, allerdings sind 1642 von den 328 Morgen Landbesitz des Klosters Eberbach nur 18 % bewirtschaftet (HHStAW 22/650)

1643: Turenne erhält den Oberbefehl über alle französischen Truppen. In Abstimmung mit Kardinal Richelieu soll Mainz eingenommen werden.

März: Der Kämmerer des Domkapitels inspiziert die Flörsheimer Äcker und stellt fest, dass die meisten nicht bewirtschaftet sind und wüst liegen, und die Underthanen haben biß dato Unsicherheitt halber, dieselbigen nitt bauen können (HHStAW 105/633). Selbst in diesem, nicht so schweren Kriegsjahr war für die Flörsheimer Hunger angesagt.

1644 September: Turenne und der französische General Enghien haben mit ihren Truppen Mainz eingeschlossen. Die Mainzer Festungsbesatzung ergibt sich kampflos. Mainz wird besetzt. Die kaiserlichen Oberste Spork und Wolf kommen zu spät, um die Einnahme von Mainz zu verhindern. Aus Verärgerung lassen sie das Untermaingebiet plündern.
Flörsheimer Einwohner suchen Schutz bei der Rüsselsheimer Festung und sollen dafür 15 fl Schutzgeld bezahlen.
Die Rüsselsheimer beschlagnahmen die Flörsheimer Schweine im Markwald.

Dezember: Das Hochheimer Gericht schreibt an das Domkapitel:
„Diese Völker haben uns allen Hausrath, Essenspeiß, übrige Früchte (Getreide), alle Schwein und Hüner, auch viel Rindvieh hinweggenommen und geschlachtet, die Häusser durchhauen, etliche Bau gar umbgerissen, viel Keltern, Bütten und ander Herbstgeschirr, fast alle Wägen, Kärg, Pflüg und was an Holtzwerk, Thor und Thüren, endlich die Pfähl aus den Weingärten, auch die schönste Obstbäum in- und außerhalb des Fleckens verbrannt, also dass es unser höchstes Verderben und erbärmliches ansehen ist“ [Schüler 1887].

Erneute Plünderung von Flörsheim.

Turenne schreibt an den französischen König [Zanthier 1779]: „Das Land an Rhein und Main ist verzehrt, kein Futter für ein einziges Pferd mehr“. Er muss mangels Nahrung und Futter sein Winterlager bis nach Speyer verlegen.

1646: Turenne schreibt an den französischen König: „2.000 Mann der Besatzung von Mainz nachgeholt und Aschaffenburg, Höchst und andere kleine Plätze eingenommen“.

1645/1646/1648: [Schaab 1835] schreibt: „Die Jahre 1645, 1646 und 1648 brachten dadurch, daß sich die Franzosen im Besitze von Mainz befanden, über alle Rhein- und Mainlande die schrecklichsten Drangsale. Von Mainz aus machten ihre Kommandanten, besonders Turenne, verheerende Züge den Rhein hinauf und hinunter, und den Main hinauf zu beiden Seiten, bis in Franken. Am härtesten wurden die Mainzer Kurlande mitgenommen. Die vielen festen Orte des Erzstifts wurden bald von den Franzosen, bald von den Reichsvölkern besetzt und hart heimgesucht. Mit abwechselndem Glücke wurde dieser kleine Krieg geführt und hatte in seiner Begleitung alle seine Schreckensscenen“.

1648: Turenne schreibt: „Das Land ist total heruntergekommen, 12-15 eroberte Plätze jenseits des Rheins“.

Der Westfälische Friede beendet den Krieg. Die letzten Franzosen ziehen 1650 aus Mainz ab.

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Im Diagramm rechts lässt sich die Bevölkerungsentwicklung Flörsheims während des 30-jährigen Krieges verfolgen, siehe auch hier:
Von etwa 600 Einwohnern 1620 wächst die Bevölkerung noch bis 1631 (Eroberung von Mainz) auf 680, nur gedämpft durch einen kleinen Einbruch 1623 infolge der Nachwirkungen der Schlacht bei Höchst. Obwohl die Todeszahlen 1623 mehr als doppelt so hoch waren wie normal, erholt sich die Bevölkerung sehr schnell, eine Entwicklung, die immer dann zu beobachten ist, wenn die hohen Todeszahlen auf einen kurzen Zeitraum begrenzt waren wie etwa auch 1666.
Von 1632 bis 1648 allerdings folgt Katastrophe auf Katastrophe; die schlimmsten Kriegsjahre waren 1632, 1635, 1640, 1644 und 1646. Die Einwohnerzahlen erreichen einen Tiefststand um 1650 mit knapp über 500 Einwohnern. Von 1631 bis 1650 betrugen die Bevölkerungsverluste 25 % und waren damit höher als die Einbußen durch die Pest 1666 (21 %).
Der Bevölkerungsrückgang beruht nicht wesentlich darauf, dass Flörsheimer durch direkte Gewalteinwirkungen ums Leben kamen. Plünderungen führten dazu, dass die Menschen nichts mehr zu essen hatten. Sie starben an Unterernährung.  Andauernde Unterernährung hat eine Schwächung des Immunsystems zur Folge, so dass die Menschen an Infektionskrankheiten starben, die auch von Soldaten eingeschleppt wurden (Cholera, Typhus, Ruhr etc.).
Von dem geernteten Getreide musste bei den damaligen Erträgen mindestens ein Viertel als Saatgut vorgehalten werden, siehe Ackerbau. Da Plünderer darauf keine Rücksicht nahmen, bedeutete das Nahrungsmangel auch in den Folgejahren.

Dieser Krieg war der schlimmste, den Flörsheim in den letzten 500 Jahren erlebt hat.

Flörsheim hat überlebt.

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Ferdinand III.  1608-1657, römisch-deutscher Kaiser ww.wikipedia.de

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Entwicklung der Einwohnerzahlen Flörsheims zwischen 1620 und 1800.   Die rote Kurve ist das Ergebnis der Computersimulation. Die gelben Punkte stehen für die überlieferten oder aus historischen Informationen rekonstruierten Einwohnerzahlen.

Reinhold von Rosen 1605-1667, Kommandeur der Reiterei unter Bernhard von Sachsen-Weimar, später Generalleutnant in französischen Diensten unter Marschall Turenne
Waldecksche Hofbibliothek Arolsen

Flörsheim im 30-jährigen Krieg