Die ersten für Flörsheim direkt überlieferten Einwohnerzahlen sind für die Jahre 1730: 1206 Seelen, für 1740: 1356 Seelen [Gander 1898].
Für 1803 wird in [Schüler 1886] angegeben: 264 Häuser, 331 Christenfamilien, 16 Judenfamilien, im ganzen 1.454 Einwohner. Verteilt man 1.454 Einwohner auf 264 Häuser, erhält man 5,5 Einwohner pro Haus, den gleichen Wert wie für die Mitte des 17. Jhdts. gilt. Geht man davon aus, dass dieser Wert auch für die jüdischen Familien galt, gab es 1803 etwa 88 jüdische Einwohner, so dass 1803 in Flörsheim 1.366 christliche Einwohner lebten (die Simulation der Bevölkerungsentwicklung basiert wesentlich auf Kirchenbuchdaten, die jüdische Einwohner nicht erfassen).
Weitere Einwohnerzahlen lassen sich rekonstruieren auf der Basis von 5,5 Einwohnern pro Hausgemeinschaft: Für 1697 sind 165 Viehhalter überliefert (HHStAW 105/490). Jüdische Viehhalter sind nicht aufgeführt. Setzt man die Zahl der Viehhalter gleich der Zahl der Hausvorstände, gab es 1697 908 Einwohner.
1682 muss die Gemeinde 60 fl Schulden an das Hospital St. Catharina in Mainz zurückzahlen (GB 1675-1690 V/N). Da die Gemeinde das Geld nicht hatte, wurde die Summe umgelegt, und zwar auf 153 Hausvorstände. Für 1682 kann man von 5 jüdischen Hausgemeinschaften ausgehen, so dass 148 christliche Hausgemeinschaften bleiben mit 814 christlichen Einwohnern.
Das Stockbuch weist für 1656 101 christliche Hausgemeinschaften aus, was 555 Einwohnern entspricht. Nach der Huldigungsliste von 1637 und der Kenntnis der alteingesessenen Familien gab es 1637 104 Hausgemeinschaften und damit 572 Einwohner.
An überlieferten und rekonstruierten Einwohnerzahlen liegen damit vor: 1803: 1.366, 1740: 1.356,
1730: 1.206, 1697: 908, 1682: 814, 1656: 555, 1637: 572.

Rechts die per Simulation berechneten Einwohnerzahlen zusammen mit Geburten- und Totenzahlen. Die gelben Punkte markieren die überlieferten oder rekonstruierten Einwohnerzahlen. Das Ergebnis ist sehr befriedigend: Die berechnete Kurve der Bevölkerungsentwicklung gibt die überlieferten und rekonstruierten Einwohnerzahlen der Jahre 1637, 1656, 1682, 1697, 1730, 1740 und 1803 problemlos wieder. Dass die rote Kurve die Einwohnerzahl von 1803, die sich jeder naiven Extrapolation aus früheren Einwohnerzahlen entzieht, trifft, zeigt einmal mehr, dass erst die Berechnung der Nettowanderungsrate und deren Einbeziehung zu einer realistischen Beschreibung der Bevölkerungsentwicklung führt.

Von etwa 600 Einwohnern 1620 wächst die Bevölkerung bis 1631 (Eroberung von Mainz im 30-jährigen Krieg) auf etwa 680, nur gedämpft durch einen kleinen Einbruch 1623 infolge der Nachwirkungen der Schlacht bei Höchst. Obwohl die Todeszahlen 1623 mehr als doppelt so hoch waren als normal, erholt sich die Bevölkerung sehr schnell, eine Entwicklung, die immer dann zu beobachten ist, wenn die hohen Sterberaten auf einen kurzen Zeitraum begrenzt waren wie etwa auch 1666, 1674 und 1743.
Von 1632 bis 1648 allerdings folgt Katastrophe auf Katastrophe; die schlimmsten Kriegsjahre waren 1632, 1635, 1640, 1644 und 1646.  Dadurch und wegen der zwar nicht sehr ausgeprägten, aber kontinuierlichen Abwanderungen sinken die Einwohnerzahlen und erreichen einen Tiefststand um 1650 mit knapp über 500 Einwohnern. Von 1631 bis 1650 betrugen die Bevölkerungsverluste 25 % und waren damit höher als die Einbußen durch die Pest 1666 (21 %).

Entwicklung der Einwohnerzahlen Flörsheims zwischen 1620 und 1800.   Die rote Kurve ist das Ergebnis der Computersimulation. Die gelben Punkte stehen für die überlieferten oder aus historischen Informationen rekonstruierten Einwohnerzahlen.

Nettowanderung/Jahr und Geburten/Jahr zwischen 1620 und 1800

Entwicklung der Einwohnerzahlen und der Zahlen von Kindern, Erwachsenen und Alten von 1620 bis 1800

Mittlere Zahl der lebenden Kinder pro Familie zwischen 1620 und 1800

Der Bevölkerungsrückgang beruht nicht darauf, dass Einwohner durch direkte Kriegseinwirkungen ums Leben kamen. Plünderungen und die Verwüstung der Felder führten dazu, dass die Menschen nichts mehr zu essen hatten. Das Problem war die Unterernährung. Andauernde Unterernährung hat eine Schwächung des Immunsystems zur Folge, so dass die Menschen  vorwiegend an Infektionskrankheiten (Cholera, Typhus, Ruhr etc.), die vorwiegend durch Kriegsvolk eingeschleppt wurden, starben.

Die rote Kurve im dritten Diagramm rechts stellt den Verlauf der Nettowanderung/Jahr dar, also die Zahl der Erwachsenen pro Jahr, die zugewandert sind minus der Zahl, die abgewandert sind. Ist die Nettowanderung 0, passiert entweder nichts, oder Zu- und Abwanderung kompensieren sich.
Während der Zeit des 30-jährigen Krieges fand eine kontinuierliche, aber nicht sehr markante Abwanderung statt, die von 1660 bis 1670 durch eine ausgeprägte Einwanderung abgelöst wird, deren Maximum etwa 12 Erwachsene pro Jahr beträgt. Die Fläche unter der fast dreiecksförmigen Kurve entspricht der Gesamtzahl der in diesem Zeitraum Zugewanderten. Es waren etwa 60 Erwachsene. 1660 lebten in Flörsheim etwa 170 Erwachsene. Die 60 Zuwanderer im Jahrzehnt zwischen 1660 und 1670 machten also bezogen auf 1660 35 % aus (Zuwanderung im 17. Jhdt.).

Nach dem Krieg ab 1650 erfolgt ein Anstieg der Einwohnerzahlen, zunächst bedingt durch die wenigen Sterbefälle zwischen 1650 und 1660, dann aber wegen der Einwanderungswelle zwischen 1660 und 1670. Die Bevölkerung wächst bis 1666 auf 700 Einwohner und überschreitet damit nach den Kriegsverlusten das Niveau von 1630. Etwa 150 Flörsheimer starben infolge der Pestepidemie 1666/67, was ohne die starke Zuwanderung zwischen 1660 und 1670 die Bevölkerungsentwicklung  Flörsheims stark verlangsamt hätte, siehe hier.   So aber sinkt die Bevölkerung „nur“ um weniger als 100 Personen.

Zu den Pesttoten: Zwischen dem 16. Juni 1666 (incepit pestis) und dem 27.Januar 1667 (cessavit pestis) sind 166 Tote im Kirchenbuch verzeichnet, wobei der Pfarrer, Laurentius Münch, nicht zwischen Pesttoten und Toten, die eines “natürlichen” Todes gestorben sind, unterschieden hat. 
Von Beginn des Jahres 1666 bis zum Beginn der Pest sind 9 Sterbefälle aufgeführt. Geht man vernünftigerweise davon aus, dass von Juni 1666 bis Ende Januar 1667 etwa 10 Personen eines natürlichen Todes (nicht an der Pest) gestorben sind, sind im Kirchenbuch 156 Pesttote verzeichnet. Dazu kommen 3 Pesttote, die in einem Bruderschaftsbuch (Bruderschaft der Heiligen Jungfrau Maria vom Berg Carmel), siehe hier, genannt werden, die aber nicht im Kirchenbuch stehen, also insgesamt 159 Pesttote. 7 der Pesttoten waren Nichtflörsheimer/Auswärtige (peregrini), so dass 152 Flörsheimer Einwohner an der Pest gestorben sind.
Zahlen von Pesttoten, die stark hiervon abweichen, sind reine Spekulation. So findet man noch 2021 auf der Wikipedia-Seite “Flörsheim/Veranstaltungen/Verlobter Tag” die Angabe “weit über 200”, erwartungsgemäß ohne Begründung.

Bereits ab 1667 und dann bis 1675 wächst die Einwohnerschaft kräftig, nur 1674 kurz unterbrochen durch Ereignisse während  des Holländisch-Französischen Krieges, siehe hier. Ab 1675 nimmt die Zuwachsrate der Bevölkerung ab. Die Einwohnerzahlen überschreiten 1710 die Einwohnermarke 1.000. Bis 1755 entspricht diese Entwicklung der einer geschlossenen Population: Die Nettowanderungsrate ist 0, auch gab es bis 1740 keine größeren Kriegsereignisse. Selbst die extremen Todeszahlen von 1743, ausgelöst durch hannoveranische, an der Ruhr infizierte Soldaten in Flörsheim während des österreichischen Erbfolgekrieg siehe hier, ändern an der Tendenz nichts Wesentliches.
Das ändert sich mit Beginn des Siebenjährigen Krieges schlagartig. Der Rückgang der Einwohner- und Geburtenzahlen ab  1756 fällt mit dem Beginn des Siebenjährigen Krieges (1756-1763) zusammen.

Die hohen Todeszahlen um 1760 (drei Jahre in Folge) können allein diesen Rückgang nicht erklären; es setzte eine dramatische Abwanderung ein, mehrere Hundert Einwohner verließen Flörsheim, so dass der relative Bevölkerungsverlust fast so hoch wie im 30-jährigen Krieg war. Die Abwanderung erreicht im Maximum 30 Erwachsene pro Jahr. Wertet man die Fläche unter der Kurve aus, erhält man insgesamt eine Abwanderung von etwa 150 Erwachsenen. Mit einer mittleren Kinderzahl von 3 pro Elternpaar (siehe weiter unten auf dieser Seite) wanderten also etwa 380 Personen ab. D. h. der Bevölkerungsrückgang um etwa 400 Personen lässt sich trotz der hohen Todeszahlen allein durch die Abwanderung erklären.
Eine grobe Abschätzung bestätigt das: Der Steilabfall der Einwohnerzahlen erfolgt innerhalb von 6 Jahren. In dieser Zeit gibt es im Mittel noch etwa 65 Geburten/Jahr, also insgesamt etwa 400 Geburten in diesem Zeitraum. Die Zahl der Toten beträgt in den ersten drei Jahren etwa 50/Jahr, in den letzten drei Jahren 85/Jahr, im Zeitraum also etwa 400 Tote. Die Zahl der Geburten kompensierte offenbar die Zahl der Toten – der Bevölkerungseinbruch ist auf Abwanderung zurückzuführen.
Leider lassen sich die näheren Umstände dieser Abwanderung zur Zeit nicht klären, da wesentliche historische Dokumente, die den Zeitraum von 1752 bis 1815 abdecken, zwar sicher noch existieren, sich aber nicht mehr im Bestand des Museums befinden, siehe hier.

Die hohen Todeszahlen von 1793/94 sind eine Folge von extremen Kontributionleistungen und Truppenstationierungen im ersten Revolutionskrieg.

Die Simulation liefert natürlich auch den zeitlichen Verlauf der Zahlen für Kinder, Erwachsene und Alte. Rechts das Ergebnis zusammen mit dem Verlauf der Gesamteinwohnerzahlen. Es fällt ins Auge, dass Bevölkerungseinbrüche durch Katastrophen wie z. B. 1666 (Pest) bei Kindern und Alten ebenfalls deutlich sichtbar sind aber bei Erwachsenen nicht. Der Grund liegt in den sehr unterschiedlichen Sterberaten für die drei Bevölkerungsgruppen: Kinder und Alte zusammen machen 88 % der Toten und Erwachsene 12 % der Toten aus. Wenn wie 1666 der effektive Bevölkerungsrückgang knapp 100 Personen ist, tragen dazu nur 12 Erwachsene bei, was im Maßstab des Diagramms nicht zu sehen ist. Natürlich sind mehr als 12 Erwachsene an der Pest gestorben, aber es kommen eben aufgrund der Einwanderung Erwachsene dazu, aber keine Kinder und Alte.

Das Verhältnis der Kinderzahlen zu den Erwachsenenzahlen multipliziert mit 2 (jedes Kind hat zwei Erwachsene als Elternpaar) ist die Zahl der lebenden Kinder pro Familie, siehe Diagramm rechts. Da Kinder 60 % aller Toten ausmachen, reagieren die Kinderzahlen am stärksten auf Änderungen der Sterberaten, sowohl bei steigenden als auch bei sinkenden Sterberaten. So ändert sich das Verhältnis von Kinder- zu Erwachsenenzahlen zugunsten der Kinderzahlen in Zeiten mit wenigen Sterbefällen wie etwa um 1630 und 1660. Nach 1660 ist das Gegenteil der Fall: Die Zuwanderer waren ausschließlich Erwachsene, so dass das Verhältnis von Kinder- zu Erwachsenenzahlen abnimmt. Zur Zeit der großen Abwanderung ab 1755 beobachtet man solche Schwankungen nicht, da hier Kinder und Erwachsene zusammen abgewandert sind. In Zeiten ohne Nettowanderung lebten etwa 3 Kinder pro Familie.

Die Tatsache, dass die Berechnung der Bevölkerungsentwicklung über den gesamten Zeitraum von 180 Jahren mit konstanten Werten für Fertilität und in bestimmten Zeiten mittleren Sterberaten die bekannten Einwohnerzahlen sehr gut wiedergibt, zeigt, dass sich an den Lebensumständen der Menschen, die Fertilität und Sterberaten beeinflussen (Geburtenkontrolle, Kinderfürsorge, hygienische Verhältnisse etc.) zwischen 1620 und 1800 nichts Wesentliches geändert haben kann. In der katholischen Bevölkerung Flörsheims gab es weder 1620 noch 1800 Ansätze für eine Geburtenkontrolle. Fortschritte in der Medizin kamen erst im 19. Jhdt. zum Tragen.

Die langfristige Entwicklung der Bevölkerung wird nicht durch kurzzeitige hohe Todeszahlen geprägt, wie die Jahre 1666, 1674 oder 1743 zeigen, sondern durch eine dichte Abfolge von Todeszahlen, die erheblich über den Geburtenzahlen liegen wie im 30-jährigen Krieg, insbesondere aber durch Zu- und Abwanderungen.
Der dramatische Rückgang der Bevölkerung nach 1756 beruht nicht auf den erhöhten Todeszahlen sondern auf einer ausgeprägten Abwanderung, die natürlich ihre Ursache auch in den gleichen Umständen haben kann, die zu den hohen Todeszahlen führen. Umgekehrt führte die Einwanderungswelle zwischen 1660 und 1670 zu einem langfristigen Anwachsen der Bevölkerung, das auch durch die Pestepidemie nicht wesentlich abgeschwächt werden konnte.
Um das Bevölkerungswachstum von 1660 bis 1756 zu verstehen, muss man nicht nach gestiegenen Fertilitäten oder gesunkenen Sterblichkeiten suchen (ein Dauerthema der historischen Demografie). Auch bei konstanter Fertilität und konstanten Sterberaten wächst eine Bevölkerung exponentiell, wenn die Fertilität eine kritische Größe übersteigt, die von der Sterberate abhängt. Trotz hoher Sterberaten ist das bei einer Fertilität von 8,2 wie im Flörsheim nach 1670 allemal gegeben. Die wesentlichen Gründe für das nachhaltige Anwachsen der Flörsheimer Bevölkerung nach 1670 waren das Fehlen von Katastrophen in dichter Abfolge und das Fehlen von Abwanderung.

Natürlich setzt ein solches Bevölkerungswachstum das Mithalten der Nahrungsresourcen voraus. Das zur Verfügung stehende Nahrungsangebot bestimmte zu der Zeit die zahlenmäßige Entwicklung der Bevölkerung. In der Gemarkung Flörsheim war seit der Mitte des 17. Jhdts. die Ackerfläche nicht mehr steigerbar. Im 18. Jhdt. konnte das Nahrungsangebot zunehmen, insbesondere durch gestiegene Getreideerträge aufgrund besserer klimatischer Bedingungen, es wurde wärmer (Abflauen der “Kleinen Eiszeit” [Behringer 2010]), siehe Ackerbau

Die ersten Gemälde Flörsheimer Einwohner

Martin Neumann 1760 - 1820
Original im Museum Flörsheim

Oswald Weilbacher 1802 - 1886
Original Roland Schichtel

Marian Antonia Weilbacher geb. Neumann 1804 - 1862
Original Roland Schichtel

Sterberaten von Kindern (SRK) und Erwachsenen (SREW).
Multipliziert man die Sterberate mit der Zahl der lebenden Personen, ergibt sich die Zahl der Toten pro Jahr.

Bevölkerungsentwicklung im 17. und 18. Jhdt.