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„Die Warte bei Flörsheim” Joh. Georg Schütz 1802

Der Abschnitt der Flörsheimer Landwehr begann im Westen bei  der Wiesenmühle (Einmündung des Hochheimer Landwehrgrabens), folgte dem Verlauf des Flörsheimer Baches (Wickerbach) nach Norden, wo der Landwehrgraben später als Mühlkanal der Wiesenmühle diente, siehe hier. Danach verlief er entlang der Flörsheimer Gemarkungsgrenzen mit Wicker und Weilbach, die auch heute noch die Gemarkungsgrenzen sind, siehe Skizze rechts und Plan I.  Wie weit die Landwehr an der östlichen Weilbacher und Eddersheimer Gemarkungsgrenze Richtung Main ging, ist nicht genau bekannt. Weilbach gehörte erst seit 1581 wieder zum Erzstift Mainz, was die Führung der Landwehr bis zur Eddersheimer Gemarkungsgrenze sinnvoll erscheinen lässt.
Allerdings
befand sich südlich
des oberen Mainaltarms  an den Gemarkungsgrenzen zu Weilbach und Eddersheim bis 1600 ein großes Sumpf- und Überschwemmungsgebiet, siehe hier, was den Bau einer Landwehr mit Graben und Erdwall wahrscheinlich problematisch gemacht hätte.
Die Gemarkungsgrenze zu Eddersheim begann beim Erdelgraben (unterer Mainaltarm) und verlief entlang des späteren Umflutsgraben bis zum Main. Dieser Abschnitt musste aber nicht gesichert werden; Eddersheim gehörte zur Mainzer Dompropstei. Deshalb kann man davon ausgehen, dass der östliche Abschnitt der Flörsheimer Landwehr spätestens am Erdelgraben endete, vermutlich aber schon am oberen Altarm des Mains.

Zum Bau der Landwehr hatte der Mainzer Erzbischof  von Henneberg im November 1484 das Domkapitel ersucht,   mit ...etlich uß uch, deßgleichen zwene uß Flerßheym und zwene uß Hocheym... bei Hochheim und Flörsheim den Landwehrgraben zur Befriedung des Landes graben zu lassen [Schüler 1887]. Von Hochheim und Flörsheim sollten also jeweils zwei Männer zur Fron verpflichtet werden. Zu Frondiensten siehe auch hier.

Die Art und Form der Landwehr wurde an die jeweiligen topografischen Gegebenheiten angepasst. So sah sie entlang des Flörsheimer Baches nördlich der späteren Wiesenmüle am steil abfallenden Hang des Rodplateus anders aus als in flachem Gelände, wo sie aus Wall, Graben und einem Gebück, einer dichten Gestrüpphecke auf dem Wall,  mit einer Gesamtbreite von etwa 10-15 m bestand.
Spuren der Landwehr sind im Gelände nur noch dort zu sehen, wo keine Veränderungen durch landwirtschaftliche Nutzung stattgefunden haben. Noch erkennbar sind sie am Anstieg vom Wickerbach zur Anhöhe hinter der Kriegergedächtniskapelle (Kossinberg, siehe Plan L und rechts).
Ein 700 m langes Stück des Landwehrgrabens ist in Form des inzwischen fast zugewachsenen Mühlkanals der Wiesenmühle erhalten, siehe hier

Interessante Informationen zum Ende der Landwehr folgen aus dem Dokument HHStAW 105/497, das das Ergebnis einer Begehung der Gemarkungsgrenze zwischen Flörsheim und Wicker im Jahr 1669 festhält. Die Landwehr wird bei der Beschreibung der Lage der Grenzsteine mit keinem Wort erwähnt. Die Lage der Grenzsteine zeigt, dass sich die Landwehr an der Wickerer Gemarkungsgrenze vollständig auf Flörsheimer Gelände befunden haben muss. Etwas Anderes hätten die Eppsteiner auch wohl kaum zugelassen.
Aus dem im obigen Dokument erwähnten Vergleich zwischen Flörsheim und Wicker von 1607 geht hervor, dass ein schmaler Pfad von etwa 1 m Breite (3,5 - 4 Schuh) zwischen den Grenzsteinen und den ersten Ackerfurchensteinen der Wickerer Äcker (auff der wickerer seith) 1607 zu Flörsheim gehörte.  Wäre die Landwehr zu dieser Zeit noch als Graben, Wall und Gebück intakt gewesen, hätte ein Pfad jenseits der Landwehr für die Flörsheimer nicht viel Sinn gemacht, und man hätte sich nicht vergleichen müssen. Daraus kann man schließen, dass die Landwehr an der Wickerer Gemarkungsgrenze, oder zumindest ein Teil davon, schon vor 1607 eingeebnet war. Wicker kam bereits 1581 zur Mainzer Herrschaft, und die Landwehr hatte danach ihren Sinn verloren.

Weilbach fiel ebenfalls 1581 an das Mainzer Erzstift, so dass danach für die Landwehr an der Weilbacher Gemarkungsgrenze  deren ursprünglicher Sinn auch nicht mehr gegeben war. Man kann vermuten, dass auch hier Teile der Landwehr bereits um 1600 geschleift waren. Eine vollständige Schleifung scheint aber erst 150 Jahre später erfolgt zu sein; der Streit mit Weilbach um die Nutzung der ehemaligen Landwehrflächen begann 1751.

Aus der Rekonstruktion der Wege in der Flörsheimer Gemarkung 1656  lassen sich einige Details  zur Entstehung der Flörsheimer Landwehr und der Flörsheimer Warte ableiten. Der „Werdegang“ von Mittelpfad, altem Wickerer Weg und Wickerer Weg ist unmittelbar mit dem Bau der Landwehr und der Flörsheimer Warte in den Jahren um 1490 verknüpft.
Mit dem Bau der Landwehr wurden die lokalen Verbindungen zwischen Flörsheim und Wicker gekappt, insbesondere die, wie der Name aussagt, wichtigste Verbindung, der (alte) Wickerer Weg. Noch in der Karte von 1794 endet der Wickerer Weg an der Landwehr und hat keine Verbindung zum Steinweg (rechts) eine Verbindung, die vor dem Bau der Landwehr vorhanden war. Der Wickerer Weg wird zum letzten Mal 1517 genannt, spätestens zu diesem Zeitpunkt war dieser Weg als Verbindung nach Wicker unterbrochen. Die Landwehr war demnach vor 1517 in diesem Bereich fertiggestellt.
Danach wird 20 Jahre lang überhaupt kein Wickerer Weg erwähnt. 1538 wird zum ersten Mal ein „alter Wickerer Weg“ genannt. Spätestens dann etablierte sich der neue Wickerer Weg, der über den Wickerer Steg, der den Landwehrgraben überbrückte, über den Steinweg nach Wicker führte und die kürzeste Verbindung zwischen Flörsheim und Wicker darstellte. Die alte Bezeichnung dieses Weges, “Mittelpfad”, seit 1290 belegt, verschwand. Davor mussten die Flörsheimer, wenn sie nach Wicker wollten, offenbar etwa 40 Jahre lang den alten Fernweg an der Warte vorbei zum Steinweg benutzen, was im Vergleich zum neuen Wickerer Weg einen Umweg bedeutete. Die heutige “Wickerer Straße” war der Oberehnweg.

Die Warttürme standen im westlichen Abschnitt an den Ausfallstraßen bei Mosbach und Richtung Erbenheim: Mosbacher und Erbenheimer Warte. Beim mittleren Abschnitt stand die Hochheimer Warte an der Ausfallstraße von Hochheim Richtung Delkenheim. Am östlichen Bogen der Landwehr, der Flörsheimer Landwehr, stand die Flörsheimer Warte an der Kreuzung eines Fernwegs, der vom Mainübergang zwischen Seilfurt und der Wickerbachmündung über den Steinweg nach Wicker und weiter zum Taunusübergang Richtung Limburger Becken führte. Von der Flörsheimer Warte gibt es eine Zeichnung von J. G. Schütz von 1802 (rechts). Die Warten der Kasteler Landwehr  waren als Rundtürme aus Flörsheimer Kalkbruchstein errichtet. Die vier Warttürme waren gleich groß und im Wesentlichen baugleich. Die einzige original erhalten gebliebene Warte ist die Erbenheimer Warte (rechts).

Nach [Metzner 2010] war ein wesentlicher Grund für den Bau der Flörsheimer Warte als Teil der Landwehr die Kontrolle des oben erwähnten Fernweges. Konsequenterweise stand die Warte nicht an dem lokalen Verbindungsweg zwischen Flörsheim und Wicker, dem alten Wickerer Weg, sondern an der Stelle, wo dieser Fernweg die Landwehr passieren musste (Skizze rechts oben). In der Karte von 1794 ist der Ort der historischen Warte in etwa richtig eingetragen (Ausschnitt rechts), ebenso in einer Kopie aus den 1930er Jahren einer Seite des Flurbuches von Wigand Hochheimer von 1740 (war im Besitz von Jakob Lauck, verschollen).

In dem Kopialbuch der Karthause von 1744 findet sich eine Skizze (neben vieler weiterer) eines ihrer Weinberge an der Warte, siehe rechts. Die Hochkant-Wegebeschriftung lautet “Alter Wickerer Weg”. Aus der Flächenangabe des Weinberges (1 1/4 Morgen) und der skizzierten Flächenform lässt sich die Entfernung zwischen Warte und altem Wickerer Weg berechnen. Sie beträgt etwa 170 m.

Die Flörsheimer Warte wird in GB 1447-1613 G/N zum ersten Mal 1516 in zwei Einträgen erwähnt, ist also vor 1516 enstanden. In [Lauck 1931] ist zu lesen “Im Alten Gerichtsbuche von Flörsheim ist 1496 erwähnt, dass ein Flörsheimer Einwohner namens „Hans der Schnitter“ auf der Wart wohnte.” Hier handelt es sich um eine Verwechslung oder Fehlinterpretation der Jahreszahl. Der Eintrag im eben zitierten Gerichtsbuch lautet mens Hans  der snider uff der wartt  (Hans Mens, der Schnitter auf der Warte) und gehört zu den Einträgen des Jahres 1516. Zwischen 1492 und 1509 gibt es keine Einträge in diesem Gerichtsbuch! siehe hier.

Ein Wartweg kommt bis 1613 nicht vor. Erst im Stockbuch 1656 wird der Wartweg als zweiter Name für den alten Wickerer Weg benutzt. Eine Statistik der Häufigkeit der Wegenennungen im Stockbuch zeigt, dass „Alter Wickerer Weg“ doppelt so oft als Bezeichnung für diesen Weg benutzt wird als „Wartweg“. Letztere Bezeichnung ist deshalb in Plan I eingeklammert.

Im 18. Jhdt. wurde der Wartturm immer mehr zum Ärgernis. Er soll allerlei Gesindel Unterschlupf geboten haben und so entstand der Wunsch nach Beseitigung dieser Zustände durch Abbruch. Wegen der erheblichen Abbruchkosten wurde die Schleifung immer wieder hinausgeschoben, bis sich 1807 die Gelegenheit ergab, den Turm zur Gewinnung von Baumaterial zum Abbruch zu verkaufen, Der Mainzer Handelsmann Cramer sicherte sich das Recht auf Abbruch gegen bestimmte Auflagen (Sicherheit, Herrichtung des Geländes nach dem Abbruch usw.) sowie Zahlung von 150 Gulden (Verkaufsabrechnung rechts unten). Das so gewonnene Baumaterial wurde für Baumaßnahmen in Wicker verwendet.
Turm und Gebäude war dann verschwunden, und es war in späteren Jahren sogar das Wissen verloren gegangen, wo er ungefähr gestanden hatte.

Horst Thomas, der als freiberuflicher Stadtplaner für die Stadt Flörsheim am Main tätig war, erfuhr Mitte der 1990er Jahre von Überlegungen des Regionalparks Rhein-Main, eine Rekonstruktion des Wartturms errichten zu lassen. Er schlug vor, zunächst den tatsächlichen früheren Standort zu ermitteln und mit dieser Kenntnis dann ggf. einen Turm zu bauen, der mit zeitgemäßen Mitteln gestaltet sein sollte. Er solle als Zitat einer älteren Anlage erkennbar sein aber auch seine Entstehungszeit nicht verleugnen.

Zu dieser Zeit war die historische Flur- und Wegekarte von 1931 von Jakob Lauck, Flörsheimer Bürgermeister und Heimatforscher, das “Maß der Dinge”.  Allerdings ist in dieser Karte der Standort der historischen Warte falsch eingezeichnet, etwa 150 m zu weit nordöstlich. Die Karte von 1794 und die obigen Überlegungen zum Standort der Warte waren zu dieser Zeit nicht bekannt. Besichtigungen vor Ort und erste Grabungen führten daher zu keinem Ergebnis, sondern lediglich zur Erkenntnis, dass alle vermuteten Standorte nicht richtig waren. Erst ein Vergleich einer heutigen Flurkarte mit der Kopie der Seite des oben erwähnten Flurbuches von 1740  ergab einen neuen Suchansatz, der letztlich erfolgreich war.
Die Fundamente der alten Warte wurden daraufhin von Horst Thomas gefunden; Standort der Historischen Warte rechts. Das Fundament der Warte hatte eine Dicke von etwa 1,3 m und ist damit vergleichbar mit der Fundamentstärke der Türme der Flörsheimer Ortsbefestigung, die zwischen 1451 und 1548 entstand, siehe hier.

Die Parzellenstruktur des Landwehrwege (224/2) weist einen charakteristischen Unterschied zur heutigen Führung des heute befestigten Wegs auf. Der frühere Landwehrweg hatte einen Knick bei Vermessungs-/Höhenpunkt 132,1 und führte logischerweise an der Warte vorbei. Der heutige Betonweg, dessen Verlauf und Verbreiterung gegenüber dem alten Weg  durch keine topografischen Besonderheiten erklärbar ist, liegt zum Teil über dem Fundament des Wartturms (Plan rechts und Abbn. unten.)

1996 erfolgte der Aufbau der neuen Flörsheimer Warte. Architekt war Franz-Josef Hamm aus Limburg, der sich bemühte, den Turm so zu gestalten, dass er als Bauwerk des späten 20sten Jahrhunderts erkennbar ist. Der Standort der Wiedererrichtung weicht vom ursprünglichen Standort ab. Dies hat zunächst denkmalpflegerische Gründe, denn die Originalfundamente sollten durch den Neubau nicht zerstört werden. Dass der neue Standort so weit vom ursprünglichen entfernt gewählt wurde, ist allerdings problematisch, weil dadurch der Zusammenhang von Warte und alten Fernweg verloren gegangen ist.
Die neue Flörsheimer Warte ist heute bewirtschaftet und ist als gastronomisches Ausflugsziel und Raststation in den Weinbergen  am Regionalparkweg und am Landwehrweg  beliebt und erfolgreich.

Die Warte an der Kreuzung Fernweg (Steinweg) und Landwehr, Karte von 1794

Kopie einer Seite des Flurbuches von 1740 mit Landwehr und Warte

Skizze eines Karthäuser Weinberges an der Warte, Kopialbuch der Karthause 1744

Neue Flörsheimer Warte  Aufnahmen 2010

Gemarkungsgrenzen und Wege 1656, die Flörsheimer Landwehr folgte dem Verlauf der Gemarkungsgrenzen zu Wicker und Weilbach, die Warte stand an der Kreuzung des Fernweges (Steinweg) mit dem Landwehrweg.

Vermutliche Reste des Landwehrgrabens auf dem Kossinberg,
Aufnahme HAF, H. Thomas, 1995

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Fundamentteile der Historischen Warte, links Richtung Westen, rechts Richtung Osten       Aufnahmen HAF, H. Thomas, 1995

Standort der Historischen Warte, eingetragen in den Katasterplan von 1995, der Weg Richtung Nordosten ist der Landwehrweg        Karte HAF, Horst Thomas

Standort von neuer und  historischer Warte, Satellitenbild Google Earth 2013. Landwehrweg grün, alter Wickerer Weg (Wartweg) gelb, mittelalterlicher Fernweg rot; der ausgeprägte Knick im Fernweg ist die Folge einer geänderten Wegeführung aus neuerer Zeit, vergl. Karte von 1794 oben.

Erbenheimer Warte  Aufn. Rudolf Stricker 2011

Vom Kossinberg Richtung Südwesten, hier verlief ein Abschnitt der Flörsheimer Landwehr. Das Tal mit dem Wickerbach gehört zur Wickerer Gemarkung.

Die Flörsheimer Landwehr entstand als Teil der Kasteler Landwehr ab 1485 und schloss rechtsrheinische und rechtsmainische Kurmainzer Gebiete ein. Der Mainzer Erzbischof Berthold von Henneberg, der den Bau veranlasste, wollte damit auch im Flörsheimer Bereich die Grenze zur Eppsteiner Herrschaft, mit der das Erzstift in jahrzehntelangem Streit lag, unter Kontrolle bringen und Übergriffe der Eppsteiner auf Mainzer Gebiet zumindest erschweren, siehe hier. Außerdem zwang sie Personen/Händler den Weg an der Flörsheimer Warte vorbei zu nehmen, wenn sie  von Norden kommend Mainzer Gebiet erreichen wollten (Zollstation). Die Landwehr war keine Verteidigungslinie, für Militär hätte die Landwehr kein Hindernis dargestellt. 
Die gesamte Kasteler Landwehr bestand aus drei bogenförmigen Abschnitten, die an den jeweiligen Gemarkungsgrenzen um Kastel, Hochheim und Flörsheim herumführten. An den Überquerungen von Fernwegen war die Landwehr durch Warttürme gesichert. Zur Bedeutung  dieser strategischen Standorte der Warten im Zusammenhang mit den Fernwegen siehe [Metzner, Thomas 1993], [Metzner 2010].

Verkauf Warte 1817

1817: Anweisung des Flörsheimer Oberschultheißen Martin Neumann (1760-1820) an den Gemeinderechner, den Erlöß aus dem Verkauf des Warththurms an H. Cramer zu Wicker in Höhe von 150 fl als Einnahme zu verbuchen.

Die Flörsheimer Landwehr und die Flörsheimer Warte