Grundzinsbelastete Hofreiten 1656, die grau markierten Hofreiten zahlten keine Grundzinsen (Mieten)

Grundzinsen sind Geldbeträge, die derjenige an den Eigentümer entrichtet, dem Hofreiten, Äcker,  Weingärten oder andere Grundstücke zur Nutzung überlassen werden und entsprechen einer heutigen Miete. Sie unterscheiden sich nicht prinzipiell von einer Pachtabgabe, außer das die Pacht in Naturalien erfolgte. Grundzinsen wurden jedes Jahr neu festgelegt, während Erbpachtverträge in der Regel über 12 oder 20 Jahre geschlossen und danach noch verlängert werden konnten.
In der Abb. links die mit Grundzinsen belasteten Hofreiten, wie sie im Stockbuch von 1656 aufgeführt sind. Hier ein Beispiel eines Stockbucheintrages:
 
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Hans Conradt Mehl    den 10. May 1656
Erstlich Haus undt Hoff, unden zu das gemein Haus, obe zu die gemein gass, giebt jährlich Hern Cämmerer 6 ß 6 heller Zins, undt Ein gans undt hun.

Der Cämmerer ist der Finanzbeamte des Domkapitels. Der Grundzins beträgt 6 Schilling und 6 Heller, die Grundsteuer eine Gans und ein Huhn. Das gemeine Haus ist das Rathaus.

Die Mehrzahl der Höfe gehörte erwartungsgemäß dem Domkapitel (Dompräsens), zahlenmäßig folgt danach die Gruppe der Höfe ohne Grundzinsen, dann die Kirche (Liebfrauenstift) und die Gemeinde. Die Karthäuser erhalten 1656 von einer Hofreite (Nr. 43) 96 h Grundzinsen. Die 8 Höfe, die das Clarenkloster 1459 noch vermietet hatte (siehe hier) befanden sich 1656 bereits in Privatbesitz.

Die Grundzinsen variieren zwischen 6 h und 200 h. Der Mittelwert liegt bei 64,5 h. Die Höhe des Grundzinses hing sicher vom Wert des Objektes ab (Grundstücksgröße, Größe und Erhaltungszustand der Gebäude etc.), dies kann  aber nicht die Variationsbreite von einem Faktor 33 erklären.
Die Kaufpreise von Hofreiten dieser Zeit variierten zwischen 50 fl und 500 fl - der Wert der von Domkapitel, Kirche und Gemeinde vermieteten Hofreiten bewegte sich mit Sicherheit innerhalb dieses Rahmens. Man sollte also eine Variation der Grundzinsen um weniger als einen Faktor 10 erwarten.
Auch würde man erwarten, dass wohlhabendere Einwohner höherwertige Hofreiten mieten als weniger bemittelte Einwohner und damit in der Regel höhere Grundzinsen zahlen. Das ist aber nicht der Fall, wie das Diagramm links zeigt, wo die Grundzinsen gegen den Landbesitz (Äcker und Weingärten) aufgetragen sind.  Dabei darf man sehr wohlhabende Einwohner mit Grundbesitz über 80 Morgen Landbesitz nicht berücksichtigen: Sie haben keine Grundzinsen für ihren Wohnsitz bezahlt, sondern für weitere angemietete Hofreiten.
Es gibt keine Korrelation zwischen Grundzins und Landbesitz. Es gibt Einwohner mit Grundbesitz unter 10 Morgen, die Grundzinsen deutlich über dem Mittelwert zahlen, während viele wohlhabende Einwohner mit Grundbesitz zwischen 50 und 80 Morgen Land Grundzinsen deutlich unter dem Mittelwert zahlen.
Handwerker mit geringem Grundbesitz, deren Einkommen sich nicht über den Grundbesitz definieren lässt, gehörten zu dem weniger wohlhabenden Teil der Einwohnerschaft, siehe hier, sie fallen zahlenmäßig nicht ins Gewicht.

Zum Vergleich sind in das gleiche Diagramm links die Mieten eingetragen, die das Clarenkloster 1459 von 8 Höfen erhoben hat (gelbe Punkte, fiktiver Landbesitz 160 Morgen), siehe auch hier. Die Mieten variieren zwischen 30 h und 108 h und damit nur um einen Faktor 3,5; sie liegen innerhalb der Bandbreite, die man erwarten kann.
Interessant ist, dass die Höhe der Mieten 200 Jahre früher vergleichbar ist.

Eine Erklärung für die große Bandbreite der Grundzinsen 1656 könnte sein, dass der Gerichtschreiber (Johannes Neumann) noch ausstehende Hypothekenzinsen bei den jeweiligen Besitzern der Hofreiten den Grundzinsen zugeschlagen hat, so dass die im Stockbuch angegebenen Werte in einigen Fällen nicht die wahren Grundzinsen sind. Dies trifft vermutlich auf die “Grundzinsen” über 110 h zu.

Von den Karthäusern ist ein Grundzinsregister erhalten, das die Jahre 1659 bis 1678 umfasst. Die zwei Seiten, die ihre grundzinspflichtigen Hofreiten enthalten, sind links unten wiedergegeben. Es sind dies die Nr. 26 (Vian Thuan, 64 h), Nr. 14 (Georg Allendorf, 40 h). Nr. 8 (Vincenz Schierstein, 40 h) und Nr. 43 (Johannes Müller, 96 h). Diese Grundzinsen sind in das Diagramm als grüne Punkte bei einem fiktiven Landbesitz von 165 Morgen eingetragen. Die Werte variieren zwischen 40 h und 96 h und bewegen sich damit in einem “vernünftigen” Rahmen.

Laut Stockbuch zahlen die eben genannten Höfe, außer der Nr. 43, 1656 keine Grundzinsen. Keine Grundzinsen heißt Privatbesitz. Im vorliegenden Fall würde das bedeuten, dass die Hofreiten zwischen 1656 und etwa 1660 an die Karthäuser verkauft und dann von diesen zurückgemietet worden wären. Das kann man sicher ausschließen.
Die wahrscheinlichste Erklärung ist, das der Gerichtschreiber diese Daten nicht zur Verfügung hatte, als er 1671 das Stockbuch anlegte, und diese Höfe auch bereits 1656 Grundzinsen an die Karthäuser entrichteten.

Grundzinsen in Abhängigkeit vom Landbesitz 1656
Gelbe Punkte: Mieten des Clarenklosters von 8 Höfen 1459 (fiktiver Landbesitz 160 M)
Grüne Punkte: Mieten der Karthäuser von 4 Höfen um 1660 (fiktiver Landbesitz 165 M)

Auszug des Grundzinsregisters der Karthäuser 1659-1678   HHStAW 61/2

Mit Grundzinsen belastete Hofreiten 1656