Uf heut dato den 27. Juny 1662 Zeyet berme Judt ahn dass er Johan Stein Churfürstlicher cammer diener Von Mentz habe abgekaufft seine behausung bey dem Katzenstul gelegen neben dem gemeine Haus Vor Und Umb 260 fl. Das halbe gelt ahn und das andere halb Uf weinachte.
Her gegen dreibet Johannes nauemer den Juden bey der Ersten clag ab Und stelt sich Vor ein Nachbarn der dut die Ehrste glag :1:2:3 ist immitiert ist alles richtig Zahlt:

Actum flörsheimis den 5ten 8bris 1707
Ist ahngeZaigt durch Muusche schutzjuden den Junge allhier, wie er uff 2ten 8bris Einen auffrichtigen redlichen Kauff Vorgangen, und geschehen, als Nemblich Verkaufften die Hans Thomase Erben ihre eigenthümbliches Haus und Hoffreith im Ersten Viertel gelegen, beforcht oben Zu Caspar bürgermeister, unden Zu Martin Schwärtzell Zinst jährlich 4 alb 4 heller so sie sambtliche Hans Thomase Erben ahn den bescheidenen schutzjuden allhier nahmens Lem Muusche Junior verkaufft Haus, scheuer, stallung, Seehegartten, Walth = und  Bruchsgerechtigkeith, alles was in dem Haus ahngestapelt, gewidtmet und ahngewiedet ist sambt den Keller Lagern Vor und Umb fünff Hundert fünffziech gulden Kauffschilling danebe noch 4 fl Vom Kauff so ErKauffer allhier Zahlen muss.---
So geschehen in beyseyn Georg Bernhardt Schultheiss, Hans Peter Bohrn, Balthasar Berger, drey Kaüffer und Verkaüffer.
Ist Zu wiessen, weilen Caspar Bürgermeister in die Erkaufte Hoffreith Einen Disputirlichen Durchgang : so nicht zulässig ist Ein furte Zeitlang behalten, so solle Er bürgermeister auff seinen Kosten ahn wiederumb zumachen und nimmer mehr selbigen zugebrauchen macht haben.
Den 3ten dieses meltet sich Dorothea Naueimerin gebohrene thomasin für Ein abtrieber ahn, weilen dieselbe ist Hans Thomasen und Margaretha Hans Thomasen hausfrauen Seel. Eheleibliche tochter, so ist solcher abtrieb Ihr Von Einen Ehrsamen Gericht gestattet und Zu Erkundt.
Obwohllen Von Hochgebürtliche Gnädige Herrschafft Ihro Hochw. und Gnädige Dhombdechanten Franz Emmerich Wilhelm Von Budenheimb obgemelt kauffender Judt Muusche Zwey Decreta bey gericht vorgezaigt, dass schultich und gerecht Juden in die Hans Thomase Haus und Hoffreith immittiren sollen , So ist doch solches Vermög unserer Solmischen ordnung wiederumb auffgehoben und befohlen worden, dass Wir Schultheiss und Gericht dem Johannes Nauheimer und seiner hausfrau nahmens Dorothea als die abtrieberin immittiren sollen Welches Wir Schultheiss und Gericht Sie obgemelte beide Eheleuth Würklich immittiren thun, und ist die Immission geschehen  den 18.ten 8bris 1707.

Im 17. Jhdt. wurde in Flörsheim bei Grundstückstransaktionen häufig vom Recht auf Abtrieb unter Berufung auf das Solmser Landrecht Gebrauch gemacht.
“Das Solmser Landrecht erfasst den Abtrieb als ein dingliches Anwartschaftsrecht eines besser Berechtigten, Eigentum an Grund und Boden erwerben zu können, nachdem der Eigentümer es an einen schlechter Berechtigten verkauft oder veräußert hatte. Der Anwärter konnte beim Verkauf oder noch nach der Übertragung des Grundstückes an einen schlechter Berechtigten gegen Zahlung des Kaufpreises verlangen, dass ihm das liegende Gut übertragen würde” (Abtrieb)  [Welkoborsky 1967].
Das Solmser Landrecht greift mit dem Abtrieb einen uralten Brauch des ländlichen Gewohnheitsrechtes auf. Nach römischem Recht war der Abtrieb nicht gestattet. Eine Nichtaufnahme des Abtriebes in das Solmser Landrecht hätte dessen Verbreitung nach 1571 wahrscheinlich erheblich erschwert.
Der Abtrieb konnte beantragt werden innerhalb von 6 Wochen, nachdem der Kauf/Verkauf des Gutes öffentlich verkündet und vollzogen worden, und das Grundstück damit in den Besitz des Erwerbers übergegangen war. Voraussetzung für den Abtrieb war ein Kaufvertrag; andere auf die Besitzübertragung abzielende Rechtsgeschäfte wie Leihe, Tausch oder Schenkung gaben keinen Anspruch auf einen Abtrieb.
Berechtigt, den Abtrieb zu verlangen, waren zunächst alle Verwandten der absteigenden Linie, danach die der aufsteigenden Linie, danach alle Verwandten bis 5ten Grades!
Auch dieser weit gespannte Personenkreis Abtriebsberechtigter zeigt die ursprüngliche Absicht dieses Gewohnheitsrechtes. Es sollte verhindern, dass liegendes Gut an Familienfremde überging, um so Grund und Boden Innerhalb der Familie/Sippe zu halten. Im 17. Jhdt. war es allerdings kein Problem mehr, Hofreiten und Äcker/Weingärten auf familienfremde Flörsheimer zu übertragen.
Manche der Abtriebe in dieser Zeit erfolgte gegen Flörsheimer Juden, zwei Beispiele rechts. Es ist aber, zumindest bis 1700, nicht erkennbar, dass Juden öfters abgetrieben worden wären als andere Flörsheimer Bürger. Der ursprünglich Sinn des Abtriebs war nicht, christlichen Einwohnern einen Vorteil gegenüber jüdischen zu verschaffen, vergl. dazu die gegenteilige Aussage bei [Schiele 1999].
Der Jude Lesser konnte 1674 das alte Rathaus erwerben und dort einen Kramladen betreiben, was ihm 1682 vom Domkapitel bestätigt wurde, siehe hier. Der Jude Hayum (Heyam) kaufte 1704 eine Hofreite mit ausdrücklicher Genehmigung des Domkapitels, siehe den Gerichtsbucheintrag hier.

Das Solmser Landrecht legt fest, dass, solange die Frage, ob dem Abtrieb statt gegeben wird, noch nicht beantwortet und eine Frist von 3 Monaten noch nicht abgelaufen ist, der Besitzer weder bauliche Veränderungen vornehmen noch die Nutzungsart ändern darf. Notwendige Veränderungen dagegen werden gestattet, deren Auslagen später vom Abtreiber zu erstatten sind. Der Besitzer kann aber 5 % Zinsen auf den Kaufpreis verlangen, wenn er keinen Nutzen aus dem Gut ziehen konnte.
Wie bei jedem Geschäft wurde auch ein Grundstückskauf/-verkauf durch einen Weintrunk öffentlich unter Zeugen besiegelt. Wer am Weintrunk teilnahm, konnte hinterher nicht mehr als Abtreiber auftreten.   

Der Abtrieb