Zu den Hexenprozessen in der Herrschaft der Mainzer Kurfürsten (Erzstift Mainz) gibt es drei neuere Monografien: die von [Gebhard 1989] und [Pohl 1998], die sich mit dem gesamten Erzstift bestehend aus Unterstift (Mainz) und Oberstift (Aschaffenburg) befassen, und die von [Luschberger 1991], die sich auf das Gebiet zwischen Main und Taunus konzentriert.
Die neuere Hexenforschung benennt im Wesentlichen zwei Gründe für dieses gesellschaftliche Phänomen des Hexenwahns am Ende des 16. und zu Beginn des 17. Jhdts.
Einmal die klimatischen Veränderungen dieser Zeit (Kleine Eiszeit), die nicht selten zu einem Totalverlust von Getreide- und Weinernte führten. Da die Menschen die naturwissenschaftlichen Zusammenhänge zwischen Klima und landwirtschaftlichen Konsequenzen nicht verstehen konnten, mussten Hexerei und Zauberei als Ursache herhalten - man brauchte Sündenböcke.
Zum anderen die nicht unerheblichen sozialen Spannungen zwischen weniger wohlhabenden und wohlhabenden Teilen der Bevölkerung, was immer in der Geschichte Anlass zu Gewalttaten gab,
Beide Gründe lassen sich im Flörsheim dieser Zeit unmittelbar nachvollziehen. Zu den Auswirkungen der Klimaveränderung auf die Landwirtschaft Flörsheims siehe hier, zu sozialen Spannungen im 17. Jhdt. siehe hier und hier.
Die Initiative zu einer Anklage wegen Zauberei und Hexerei ging nicht von der Mainzer Obrigkeit aus, eine Staatsanwaltschaft im heutigen Sinne gab es nicht - derjenige, der aufgrund einer Straftat Schaden genommen hatte, musste selbst klagen (wo kein Kläger, da kein Richter). Die Initiative zu einer Anklage wegen Zauberei und Hexerei ging immer von Flörsheimer Einwohnern aus, die dann nach Prüfung ausgebildeter Juristen vom Inquisitionsgericht in Mainz (zeitweise auch in Höchst) verfolgt wurde und evtl. zum Prozess führte.
Neben dem weit verbreiteten Glauben, dass Zauberei und Hexerei die Ursache von Missernten sei, bot sich dadurch auch individuell die Möglichkeit, unliebsame Einwohner und Nachbarn als Verursacher der eigenen schlechten wirtschaftlichen Situation zu bezichtigen. Denunziationen spielten eine wesentliche Rolle, wie aus den Verhörprotokollen hervorgeht, allerdings oft unter Folter erzwungen.
Das Flörsheimer Gericht hat nicht nur Denunziationen, die zur Anklage wegen Hexerei und Zauberei führten, zugelassen, sondern sogar Prozesse  von der Mainzer Inquisition gefordert, wobei Eigeninteressen von Gericht und Kirche in einigen Fällen eine erhebliche Rolle gespielt haben dürften, da der Besitz der Opfer oder Teile davon von der Gemeinde konfisziert werden konnten.
Ein Fall, der klar in diese Richtung weist, ist der von Balthasar Bring und seiner aus Hochheim stammenden Frau Ela. Balthasar Bring, ein wohlhabender, aus einer alten Flörsheimer Familie stammender, Flörsheimer Bürger machte 1608 sein Testament, in dem er seinen Besitz an Land, Hofreiten und Bargeld seiner Frau als Alleinerbin vermachte (die Ehe war kinderlos).

Ela Bring wurde wegen des  Verdachts der Zauberei im Mai 1616 verhört.
“Sie gestand, dass sie vor drei Jahren in der Walpurgisnacht bei Hans Hochheimers Backhaus am Hexentanz teilgenommen habe. Vor zwei Jahren sei sie zwischen Ostern und Pfingsten unter den Niemandsbäumen gewesen und habe mit anderen geplant, durch kaltes Wetter und Hagel das Korn zu verderben. Acht Tage später habe der Teufel Töpfe mit Wasser unter die Niemandsbäume gebracht, und das Wasser auf die Erde geschüttet und in die Luft gesprengt. Davon sei Wetter entstanden und Kiesel (Hagel) gefallen, die aber keinen Schaden angerichtet hätten, weil es nur wenige zu kleine Kiesel gewesen seien. An diesem Tag und auch vor einem Jahr an Bartholomäi nachts um 10 Uhr sei Hexentanz gewesen, zu dem Leute aus Wicker, Flörsheim und Weilbach gekommen wären.” [Luschberger 1991]

Ela Bring wurde am 3. August 1616 hingerichtet; bei [Luschberger 1991] ist sie unter den Hochheimer Opfern aufgeführt. Einige Jahre später findet sich das Vermögen von Balthasar Bring im Besitz der Flörsheimer Gerichts und der Kirche unter dem Namen “Brängische Pfarrkirche”, über dessen Verwendung (Geldverleih, Verpachtung von Äckern und Weinbergen) genauestens Buch geführt wurde. Die Haupthofreite von Balthasar Bring war die Nr. 100 in Plan A, die 1662 von der Kirche an Johannes Stein, den späteren Oberschultheißen, verkauft wurde, siehe auch hier.
Balthasar Bring hat 1625 nachweislich noch gelebt. Er musste die Verbrennung seiner Frau und den Verlust seines gesamten Besitzes hinnehmen. Man kann den Verdacht haben, dass es sich um eine  Aktion von Gemeinde und Kirche gehandelt hat, um sich das Bring´sche Vermögen anzueignen.   

Die Rechtsgrundlage der Hexenprozesse war die Constitutio Criminalis Carolina, kurz Carolina, die unter Kaiser Karl V. für das gesamte Reich verbindlich auf dem Reichstag in Regensburg 1532 ratifiziert wurde. Es war das erste deutsche Strafgesetzwerk; es beruhte im Wesentlichen auf römischen Recht.
Als Tatbestände für Zauberei und Hexerei dienten folgende Artikel [Gebhard 1989]:
Artikel 106: Gotteslästerung (die Hexe schwor bei der teuflichen Taufe Gott ab)
Artikel 116: Sodomie (bei der Teufelsbuhlschaft hatte die Hexe Geschlechtsverkehr mit einem Dämonen)
Artikel 109: Schadensstiftende Zauberei (durch “Reif” und “Kiesel” wurden Wein und Getreide verdorben)
Diese Verbrechen wurden mit dem Tod durch Verbrennen bestraft.

Die Flörsheimer Einwohner betreffenden Hexenprozesse gingen von 1595 bis 1630, ihnen fielen  nach [Luschberger 1991] 43 Flörsheimer zum Opfer - die wirkliche Zahl dürfte noch etwas höher sein.
Aber auch danach waren Hexen und Zauberer noch nicht aus den Köpfen verschwunden. 1655 fand vor dem Flörsheimer Gericht ein Zeugenverhör statt, weil einige Flörsheimer behaupteten, Martin Albrecht, Schöffe und Betreiber eines bierhauses, habe sie Diebe und Hexenmeister gescholten.
1669 ist im Frevelregister festgehalten, dass Hans Conradt Hart gesagt habe, Johann Bomessers Frau sei eine öffentliche Hexe, er wolle sie auf seine Kosten verbrennen lassen. 

Ein Hexenprozess verursachte enorme Kosten, die teils von dem Opfer selbst (durch nachträgliche Konfiskation) teils von der Gemeinde des Opfers beglichen werden mussten. Die Juristen des Inquisitionsgerichts, Amtmann, Schultheiße, Schöffen, Gerichtschreiber und Büttel erhielten Gebühren. Dazu kamen Gefängniskosten, die Sachkosten der Hinrichtung und der Lohn des Scharfrichters (Einzelheiten bei [Luschberger 1991]). 
Um die Kosten für die Gemeinde begleichen zu können, nahm das Flörsheimer Gericht spätestens ab 1615 bei Klöstern, Stiften und Privatpersonen Geld auf, musste dafür Zinsen zahlen (pension, interehse, von der Obrigkeit festgelegte 5 %) und musste Unterpfände in Form von Liegenschaften als Sicherung stellen. Die folgende Aufstellung von 1623 listet die Schulden auf (Original rechts):

Extract auß dem Gerichtsbuch waß fur gelt Zu dem Criminal Hexen weßen uf pension in stifft und Clostern ufgenommen worden     28ten Marty 1623

400            Reichsdaler bey Herrn Johann Preuer schultheißen Zu Edderscheimb  1615 den 10 Augusti
1200 fl       bey dem stifft Zu St stephan in Meintz uf Nativitatis Chr 1615 ufgenommen
1200 fl       uf nativitatis Joh. Baptista den 24 Juny 1616 bey dem Hospital Zu St. Catharina in filtzbach  
2000 fl       uf Michaelis den 29ten Sept. 1616 bey der wurdigen Frauen Abbatissin Zu Marienthal
                  außerhalb Maintz ufgenommen
1000 fl       uf Laurenty den 10 Augusti 1617 bey dem stifft bingen ufgenommen
900 fl         uf Allerheilige den 1 Nov: 1616 bey dero lieblichen Universitet Zu Meintz ufgenommen
900 fl         uf Bartholomai 1617 bey Hrn Doctor Jacob Mortzern und Maria seiner Haußfrauen die 540
                  Konigsdaler in spezie ufgenommen

Dazu kamen noch, wie sich herausstellt (siehe weiter unten auf dieser Seite):
1000 fl       bei dem Kloster St. Clara in Mainz, 21. Juni 1618
1000 fl       bei dem Kloster St. Clara in Mainz 1619
1000 fl       bei dem Hospital St. Barbara in Mainz, 11. November 1618
1000 fl       bei dem Kloster der Jungfrauen zu Dahlheim

Warum die letzten vier Schuldenposten ab 1618 in der Auflistung von 1623 nicht erwähnt werden, ist unklar. Es könnte mit den Kriegswirren dieser Zeit zusammenhängen (1618 Beginn des 30-jährigen Krieges,1622 Schlacht bei Höchst).

Rechnet man den Reichstaler zu 1,7 fl, wie es sich aus der letzten Zeile der Auflistung ergibt, addieren sich die Schulden zu 11.900 fl. Das deckt sich fast genau mit der vom Flörsheimer Gericht gemachten Angabe zur Gesamtschuld von 12.000 fl, siehe die Eingabe der Gemeinde an den Domdechanten rechts. Diese Bittschrift ist nicht datiert, muss aber nach Kriegsende anfangs der 1650er Jahre verfasst worden sein, da die Klage des Clarenkloster von 1654 darauf Bezug nimmt, siehe weiter unten.
In dieser Klage wird auch erwähnt, dass vor dem Krieg zwar einige Zinsen gezahlt wurden, es wurden aber  keine Kapitalschulden getilgt  - sie standen nach dem Krieg noch in voller Höhe an.
Das Flörsheimer Gericht hatte innerhalb von 5 Jahren (1615-1619) 12.000 fl aufgenommen. Dem Gericht war sicher klar, dass die Gemeinde Flörsheim keine Chance hatte, jemals die Zinsen bezahlen zu können, geschweige denn eine Kapitalschuld von 12.000 fl zu tilgen. Die jährlichen Einnahmen des Gerichts betrugen in der ersten Hälfte des 17. Jhdts. etwa 200 fl. Die Zinslast von 12.000 fl beläuft sich bei 5 % Zinsen auf 600 fl pro Jahr !

Dem Gericht musste klar sein, dass wenn die Gläubiger ihre zur Sicherheit verschriebenen Unterpfände einlösen (uffheben) würden, Flörsheim den größten Teil seiner Gemeindeliegenschaften (Allmende, Alimente) und damit den größten Teil seiner Weiden und Wiesen verlieren würde. Und das wäre noch der günstigste Fall gewesen. Da während des Krieges viele Unterpfände an Wert verloren hatten, und auch einige illegal von den Flörsheimern im Wert vermindert wurden (z. B. das Hinterrod durch Abholzung, siehe weiter unten), wären die Gläubiger berechtigt gewesen, sich am Privateigentum der Flörsheimer schadlos zu halten. Allerdings wurde das vom Kurfürsten um 1660 per Dekret (rescriptio) verhindert. Eine solche Haltung und Vorgehensweise des Flörsheimer Gerichts lässt sich nur mit dem Begriff “Hexenwahn” beschreiben.

[Luschberger 1991, S.107] schreibt: “Am Ende des Krieges belief sich die Schuld auf 9973 Gulden. Weil selbst Zinsen nicht bezahlt werden konnten, erhöhte sich die Schuldsumme sogar auf 12220 Gulden. Weitere Gemeindeäcker wurden verpfändet”.
Woher die Zahlen stammen und wie sie zustande kommen, ist nicht nachprüfbar, da die Quelle nicht zitiert wird.  Die Zahlen sind nicht nur unplausibel, sie können nicht stimmen. Sie finden sich auch 2021 noch in einem Wikipedia-Artikel “Hexenprozesse in Flörsheim”.
Wie man an der Auflistung oben sehen kann, wurden die Kredite in runden 100 fl oder sogar runden 1000 fl aufgenommen. Gezahlte Zinsen reduzierten nicht die Kapitalschuld. Da die Kapitalschulden nicht getilgt wurden, blieben sie in unveränderter Höhe stehen (1650: immer noch 12.000 fl), so dass keine krummen Werte für Kapitalschulden auf den Gulden genau entstehen können. Kapitalschulden und rückständige Zinsen (Zinsschulden) wurden nicht zusammen geworfen. 
Die damaligen Schuldverschreibungen waren keine heutigen Hypothekenverträge, wo der jährliche Betrag, der an den Kreditgeber zu zahlen ist, Zinsen und Tilgung enthält, und dadurch im Laufe der Zeit die Kapitalschulden abgetragen werden.

Die von Luschberger angegebenen Beträge widersprechen den Angaben des Gerichts in der Bittschrift, wo
12.000 fl Kapitalschulden (ohne Zinsen) genannt werden und rückständige Zinsen, die das aufgenommene Kapitel weit übertreffen, was bei den Angaben von Luschberger nicht der Fall ist.
Nimmt man grob an, dass 30 Jahre (1620-1650) fast keine Zinsen gezahlt wurden, belaufen sich die rückständigen Zinsen 1650 auf 18.000 fl, ein Wert, der das aufgenommene Kapital weit übertrifft in Übereinstimmung mit den Angaben des Gerichts. Nach dem Krieg wurden wegen der Schulden aus den Hexenprozessen keine weiteren Allmenden verpfändet, anders als bei [Luschberger 1991] dargestellt..


Die Klage des Klosters St. Clara

1654 fordert das Kloster in einer Klageschrift vom Domkapitel, dafür zu sorgen, dass die Gemeinde Flörsheim die von den 1618 und 1619 aufgenommenen 2000 fl rückständigen Zinsen bezahlt (Original und vollständige Transkription hier).
Das Kloster nennt  die Flörsheimer unbefugte Kläger, die Unwarhaftes anbringen, listet 9 Punkte auf, die das Flörsheimer Gericht in ihren Klageschriften (die Bittschrift rechts ist die letzte von mehreren) vorgebracht hat und versucht, recht überzeugend und juristisch fundiert, diese zu widerlegen. Es nennt die Argumente des Flörsheimer Gerichts wiederrechtliche Zumuthungen.
 zu 1) Die Darlehen zur Ausröttung der Hexereyen seien ohne obrigkeitliche Verwilligung aufgenommen worden
Das Kloster weist klar nach, dass die Genehmigung des Domkapitels vorlag und in beiden Schuldverschreibungen (1000 fl in 1618 und 1000 fl in 1619) ausdrücklich festgehalten ist.
zu 2) Da einige Zinsen gezahlt wurden, müsse die Schuld erkläcklich reducirt werden
Das Kloster sagt, es wisse nicht, auf welcher rechtlichen Grundlage das geschehen könnte (gezahlte Zinsen reduzieren nicht die Kapitalschuld). Da keine Vertragsverletzung seinerseits vorliege, bräuchte man sich mit diesem Thema nicht zu befassen.
zu 3) und 4) durch die fortgesetzte Aufnahme hoher Kredite seien die Kläger bereits vor dem erlitten Schwedischen Unwesen mit der Zinszahlung in daß Stocken gerathen
Das Kloster weist darauf hin, dass auch eine teilweise Zahlung der Zinsen eine Anerkennung der Schuld darstellt, und dass das Gericht als Rechtsnachfolger verpflichtet sei, die rückständigen Zinsen zu bezahlen.
Interessant ist, dass das Kloster die Tilgung der Kapitalschulden hier nicht erwähnt. Der Grund dürfte klar sein: Bei einem Zinssatz von 5 % überschreiten die rückständigen Zinsen das aufgenommene Kapital nach 20 Jahren. Nach 35 Jahren, wie im vorliegenden Fall, ist es für das Kloster wesentlich lukrativer, die Zahlung der rückständigen Zinsen zu erreichen als auf der Tilgung der Kapitalschuld zu bestehen. Für die Flörsheimer wäre es wichtig gewesen, möglichst früh die Kapitalschuld zu tilgen, was allerdings ihre finanziellen Möglichkeiten überstieg.
zu 5) - 9) der Flecken sei durch die lang geschwelte Kriegß Unruhen in gentzlichen ruin gerathen, die Kläger seien vorwiegend Ausländer (peregrini), mit unerschwincklichen Privatschulden überhäuft, und ihr aygenthumb könne nicht zur Zahlung der Schulden herangezogen werden. Die Gläubiger würden ihre Unterpfände nicht einziehen
Das Kloster argumentiert, dass es unter dem Krieg gleichermaßen gelitten habe wie alle anderen auch, dies sei kein Grund; die rückständigen Zinsen müssten bis auf den letzten Heller gezahlt werden. Die Kläger seien mit costbahrlichen Weinbergen undt feldgüttern Reichlich gesegnet, seien also solvendo (zahlungsfähig) und müssten von rechts wegen ihre Gläubiger befriedigen.
Nach allgemeiner Rechtslage und auch nach einem jüngst getroffenen Reichßschluss seien die Gläubiger nicht verpflichtet, die verschriebenen Unterpfände einzulösen, aber berechtigt, insbesondere im Fall ungenügenden Pfandes, auf bewegliche und unbeweglich Güter der Schuldner zurückzugreifen.
Dass die Flörsheimer nach dem Krieg in gentzlichen ruin  gerathen, ist sicher übertrieben. Sie hatten zwar im Krieg sehr gelitten (siehe hier), aber besaßen nach wie vor ihre Äcker und Weinberge, wobei letztere nach dem Krieg wieder zu stattlichen Einnahmen führten. Die Aussage, sie seien vorwiegend “Ausländer”, ist korrekt: 1656 stammten 80 % der Eltern der Flörsheimer Hofreitenbesitzer nicht aus Flörsheim, siehe hier.
Die Interessenslage des Klosters ist klar und rechtlich fundiert: Das Kloster wollte Bargeld sehen. Was sollte das Kloster mit dem Unterpfand Vorderrod anfangen, das 1656 von Gutachtern als wertlos eingeschätzt wurde, siehe rechts. Es stellt sich allerdings die Frage, warum das Kloster dann 1618 das Vorderrod als Unterpfand für 1000 fl Darlehen angenommen hat. Offenbar stellten die 40 Morgen auf dem Vorderrod 1618 noch einen adäquaten Gegenwert dar, verwahrlosten aber im Krieg zur Wertlosigkeit.

Das Schreiben des Kloster endet mit der Bitte an das Domkapitel, eine Verordnung ergehen zu lassen, die seinen Interessen gerecht wird und bekräftigt noch einmal die Solvenz der Flörsheimer und dass sie zur Zahlung ihrer Schulden höchst privilegirt seien.

1656 hatte das Domkapitel eine Schätzung der Werte der Unterpfände in Auftrag gegeben, siehe rechts.

Um 1660 erließ der damalige Kurfürst Johann Philipp von Schönborn  ein Dekret (rescriptio), das allerdings nicht im Sinne der Gläubiger war: Er verfügte, dass die Kreditgeber die Unterpfände einlösen mussten, unabhängig von deren zeitlichem Wert.. Er hatte sicher nicht die Stärkung von Position und Reichtum der Klöster und Stifte zum Ziel, sondern offenbar den Erhalt bzw. die Wiederherstellung der Wirtschaftskraft des domkapitelischen Dorfes Flörsheim. Feinheiten der Rechtslage waren für ihn dabei kein Hindernis.
Es sollte noch über 40 Jahre dauern, bis das Kloster St. Clara einen Unterpfand, das Vorderrod, einlöste, wohl in der Erkenntnis, dass gegen das Dekret des Kurfürsten nichts zu machen war.
Am 7. Juni 1703 überschrieb das Flörsheimer Gericht dem Kloster das Vorderrod als Erb= undt Aygenthumblich, war damit 1000 fl Kapitalschulden los und hatte etwa 4000 fl (80 Jahre) von rechts wegen zu zahlender Zinsen gespart. Das Flörsheimer Gericht war der klare Gewinner in dieser Sache. Es hatte das Problem ausgesessen und auf eine günstige Entscheidung des Kurfürsten gehofft. Was mit dem zweiten Unterpfand, den Seeweiden, die ebenfalls für 1000 fl an das Kloster verpfändet waren, ist nicht bekannt.. 

“Die 4 Hexen”, Albrecht Dürer, Kupferstich, 1497

“Die Hexen”, Hans Baldung, Holzschnitt, um 1510

Auflistung der Schulden 1623.   Extract auß dem Gerichts buch waß fur gelt Zu dem Criminal Hexen weßen uf pension in stifft und Clostern ufgenomen worden   28ten Marty 1623   
 
HHStAW 105/488

Der letzte Schudenposten ist von 1617, die Kreditaufnahmen nach 1617 sind nicht aufgeführt. Eine weitere Liste existiert nicht. Bei dem erwähnten Gerichtsbuch muss es sich um das vermutete GB 1620-1636 handeln, das von Johannes Hart geführt wurde, siehe hier.

Hochwürdiger HochwohlEdelGeborner Herr Herr DhombDechant, undt Amptsman, Hochgepietender Gnädiger Herr:

Ewer Hochw. Gn. tragen Zweiffels ohn, noch in Gnädigen Erinnerlichen ahn denicken, waß massen wir Vor Kurtz Verwichener Zeit Zu Etlich mahlen Ew. Hochw. und Gn. Clagent referirent: wegen unßer so Hohe, Schwere, undt Villfaltige, von Etliche unßeren vorfahren Hero ufgehalten Capithal schulden, welche belauffen uf 12000 fl ohne daß Intrehse, welches daß Capithal weith ubertrifft, undt wir Arme derowegen betrübten underthanen solches Zahlen müssen, in Einigem wegs wissenschafft nicht haben, wie undt wohin solches mögte ahngewendet worden seindt, undt wie wir Zu betrachten, vor Gott undt der welt, unschuldig dahir Kommen.
Unahngesehen wir nicht allein die große noth vor augen, sondern auch in dießer so Langen Unde betrübten Schwedische undt franZöhsische Kriegs Zeiten Hero, wegen dießer Schulden, da alles vor verpfändt undt versetzt, Einigen Heller in Unßeren Höchsten nöthen nichts EntLehen Können.
Sonder unßer Armen Bluds undt Schweiß, waß von soldaten ubrig blieben, ahn gudderen undt Anderst dahin ahnwenden mussten. Damit auß dem Unserigen alle gelder welche nicht Zu melten beZahlt worden seindt: undt wann nicht durch Ew. Hochw. undt Gn. alß Unßer vorgesetzte Hohe Obrigkeit die miltreiche Gnadt erweissen würde, daß die Creditores Ihre Underpfandt durch mittel Zu sich Ziehen mögte. Viel undt der mehrentheil den Flecken raümen müssten. Dann Es yr den Armen gleich den reichen Zur außtheilung Kommen würde, undt der rauch /:deß Armen nicht Zu gedencken/: mit allem dem seinigen nicht auß dauren Kamin welches Alles Unßer Hertzen Zu schwehrer, undt großer Bekümmernis führt:
Dero halben nochmahls Ew. Hochw. undt Gn. wir umb Gottes willen underthänigst Zu Ersuchen durch die Höchste noth geZwungen werden, tröstlicher Hoffnung Ew. Hochw. undt Gn. werdens dahir bringen, damit die underpfandt. durch alle Creditores mögte Ufgeholt werden, ya besser die Allemenden, alß wir Arme dero wegen unschuldige underthanen,
Solches umb Ew. Hochw. undt Gn. Zu beschulden, wollen wir mit unßerem demütigen Gebett, Zu Gott dem Allmächtigen, vor dieselbe Langwürige gesundheit undt revirung Zu bitten Zeit Lebens nicht vergessen, gedheilicher Hülff, undt Tröstlicher resolution gewerdig:

Ew. Hochw. undt Gn.                                             Arme Underthanen undt gantze gemeinde Flörsheim

Das Flörsheimer Gericht sagt, es wisse nicht, wofür die 12.000 fl verwendet worden seien, sie seien unschuldig. Es ist wenig glaubhaft, dass das Gericht 1650 nicht mehr wusste, wofür das Geld aufgenommen wurde; es gab noch Zeitzeugen. Offenbar hatte man zu dieser Zeit bereits ein schlechtes Gewissen bezüglich des Hexenunwesens, wofür auch die Beteuerung der Unschuld spricht.
Aufgrund der großen Not durch den 30-jährigen Krieg sei alles verpfändet und versetzt, so dass sie keinen Heller entbehren könnten. Wenn der Dechant ihnen nicht die Gnade erweisen würde, dafür zu sorgen, dass die Gläubiger ihre Unterpfände einlösen (sondern sich an Privateigentum schadlos halten), müssten viele den Flecken verlassen (was nicht im Sinne des Domkapitels sein konnte, nach dem Krieg herrschte Arbeitskräftemangel). Dies ist ihr wesentliches Anliegen: Die Gläubiger sollen ihre Unterpfände uffholen, möglichst nur die Almenden und nicht Privateigentum pfänden.

Bittschrift der Gemeinde Flörsheim an den Domdechanten, um 1650, Schrift des Gerichtschreibers Johannes Hoffmann     HHStAW 105/488

Auff Dato den 27ten Marty Anno 1656 Sein auß Gnädigem befelch Ihro Hochwürd. Gnd. H. Dhombdechants alß Hochgebiethender H. Amptmanß Zu Flerscheimb, der orthß gemeine Alimenten durch Unpartheysche darZu Von Hochgnd. Obrigkeit Deputirte Wickerer Undt Costheimer Gerichts Persohnen folgender maßen begangen, der Augenschein Eingenohmen, Undt pro quota die morgen maß geschetzt Undt estimirt worden.

1. Erstlich die Gemeine Wieß im Rieth den HH. Zu St. Stephan Vor Undt Umb 1200 fl Verlegt, ist der Morgen der orthß Vor Undt Umb 95 fl geschetzt worden; doch dießes mit solcher Exception daß Vorgemelten HH. nach ihrem belieben, Undt Wahl nach, auß besagter Wieß einige darauff ins künftig gesetzte beschwernüsse Undt Contribution pro quota soll dargemessen werden.
2. Zweytens daß gemeine Aliment so den Main, auff Undt ab Zeugt, Undt den anfang oben ahn der Eisbrech nimbt Undt auff die Hochheimer Gemarckung Zeucht, ist den Jungfr. Zu Dahlheimb für 1000 fl Verlegt, Weilen aber daß wasser Von der Eisbrech ahn, biß ahn daß Rüsselsheimer Fahr fast alles Verflöst, Undt weniger nutzen darauff Zu suchen. Alß ist Von beiden Unpartheylichen Gerichts Persohnen für Recht Erkandt worden in Etwas obig dem Rüsselsheimer Fahr ahn Zuefangen, Undt ist also der Morgen der Orths bis nechst ahn die Bach f. 40 fl in dem Theil aber Under der Bach der Morgen f. 75 fl estimirt worden.
3. Drittenß daß Underpfandt so der Universitet in Mäintz für 900 fl Verlegt, Undt Vom Mühlbronnen ahnfängt Undt auff dem Main Zeugt, weilen Selbiges so schlecht Undt Uber all mit dorn Verwachsen, auch Uber 4 oder 5 Morgen der Orthß nit Zu finden so Zu gebrauchen, Alß Würdt hierinnen der Morgen f. 40 fl geschätzt; in dem Ubrigen aber ist sehr geringer nutzen Zu suchen, wissen also beyde Gerichte, weilen Selbiges merentheilß bach Undt weeg ist, ein solches nit Zu schätzen, oder Einigem Creditorn Ein Zuhändigen
4. Virtens die Gemeine Weidt der Seh genandt ist den Jungfr. Zu St. Claren für 1000 fl Verlegt, Undt ist der Morgen ahn gemeltem Ohrt geschätzt worden f. 72 fl
5. Fünftens daß gemeine Aliment, So daß hinder Roth genandt würdt, ist den HH. Zu St. Peter Verlegt für 1000 fl aber gemeltes Underpfandt ist Von beiden Gerichten für nicht erkandt worden, Weilen berührtes Stiefft Keine Satisfaction der ohrts haben kan, Undt im geringsten keine nutzbarkeit darauff Zu suchen ist.
6. Sechstens daß Under Roth so auff die Flerschheimer Undt Hochheimer Wießen stößt, ist den Jungfr. Zu St. Claren Verlegt f. 1000 fl. Weilen aber besagtes Underpfandt solcher maßen schlecht; Alß haben beyde Gerichte besagtes Underpfandt den Creditorn für ihre Schuldt einZuhändigen nicht Vor guth geachtet, dan im geringsten Kein usus ... darauff Zu suchen.
7. Siebentens St: Martiens Stiefft Zu Bingen hat ahn Capital Zue fordern 1000 fl seindt dessen Underpfändt die hinder Bachwießen, ist der Morgen in besagten Wießen f. 140 fl geschätzt worden.
8. Achtens daß Gemeine Aliment die Forter Bachwießen genant, ist Verlegt H. Dr. Märtz f. 900 fl so ahn Morgen maß soll inhalten 8 Morgen 1 Viertell; darinn ist der Morgen geschätzt f. 125 fl.

Daß dieße estimation auff Vorgemeltem Dato ist Vorgangen Undt geschehen, bekennen Wir Endts Underschriebene
Johann Bolz Schulth. Zu Wickher, Paulus Holtzheimer, Marquart Alledigk, Johannes Nauheimer
Caspar Breidenbach Underschuldheiß, Johann Flickh, Conradt Gros, Johann Conradt Schneider

Schätzung der versetzten Gemeinde Almenden durch Wickerer und Kostheimer Gerichtspersonen
HHStAW 105/352

Zunächst fällt auf, dass drei Kreditgeber nicht mit verschriebenen Almenden  vertreten sind: der Schultheiß von Eddersheim, das Hospital St. Catharina in Filzbach und das Kloster Marienthal. Vermutlich hatten sie andere Sicherheiten.
zu 4): Die Flur “See” war im 17. Jhdt. Gemeindeweide. In nassen Jahren stand hier Wasser, siehe Feuchtgebiete.
zu 5): Hier liegt ein Irrtum der Gutachter vor. Das Hinterrod war nicht den Herren von St. Peter, sondern eindeutig dem Hospital St. Barbara verschrieben. Konfusionen bezüglich der dortigen Besitzverhältnisse gab es allerdings auch noch 1700.
zu 6): die Flurbezeichnung Under Roth gab es in Flörsheim nicht. Gemeint ist das Vorderrod. Die Gutachter waren Nichtflörsheimer.
Es gab zwei Unterpfände, die von den Gutachtern als uneingeschränkt wertlos und den Kreditgebern als Unterpfand nicht zumutbar bewertet wurden: Das Vorderrod und das Hinterrod, wobei das Hinterrod zum Zeitpunkt der Verschreibung noch einen adäquaten Wert hatte - es gab dort ein Eichenwäldchen, siehe weiter unten. Es sind genau das Clarenkloster und das Hospital St. Barbara, die bezüglich des Wertes ihrer Unterpfände aktiv wurden. 
Im Ergebnis waren bis auf die Au alle Flörsheimer Gemeindeweiden und -wiesen verpfändet !
Zu den Flurbezeichnungen 1656 siehe Plan L.

Übertragung des Unterpfandes “Vorderrod” an das Kloster St. Clara als Eigentum
7. Juni 1703, Siegel des Flörsheimer Gerichts, Transkription hier           HHStAW 104/139

Hochwürdige HochWohlgebohrene Genädtige Herrn
 Weillen der beweiß in allen Rechten Höchstens privilegirt undt dahero Keinem AbZu streiten ist, alßo wollen wir hirmit Ew: Hochwürdige Gnadt. undt Gndt. Undterthänig gebetten haben, Ehe undt bevor man Zur ferneren Handlung schreithe ahn forderist Zu Entbenahmte Zeigen uber folgende Probatorial articul aydtlich Abhören, deren Zeignis fleisßig annotiren, so dan dem nach sothane Ihre Außsagen Unß Communiciren, Auch im Übrigen bey dißer Verhör alles daß jenige Verfüegen Zu laßen, waß sich bey den gleichen selben von Rechts wegen Ziemen undt Aigenen will  De super
Articuli Probatoriales
1.
wahr daß daß so genante Hinder Roth dene Zeigen Khündig seye,
2. wahr daß Zeig auff selbem orth Von dißem einige darauff gestandtene aichbäume fellen helffen
3. wahr daß bey solcher Holtz fällung auch Ein Zimmerman gewesßen, so daß Holtz mit helffen abhawen
4. wahr daß sothane Holtz fällung nit auß befelch der flörßheimer gemeindte. sondtern aus befelch eines wohl Löbl. Liebenfrawen stiffts Zu Maintz beschehen
5. wahr daß solch gefällte Holtz auch Zu dißer Stiffts Herrn in flörßheimb habenter Zehent Kelter von wohlgem. stifft gebraucht worden.
6. wahr daß solches Hindter Roth von mehr gemelt. liebenfrawen stifft dem Zeigen alß er sich deß wegen bey dißen Stiffts Herrn Ahngemeldet, umb einige Gewisße stück wein habe wollen über laßen werdten,
7. wahr daß weillen Zeig mit dem Stifft nicht Zu recht Kommen Können, auch nichts auß der ... worden seye,
8. wahr daß auch dermahliger H. Dechant Velusig dem Zeigen dißes Hindter Roth vor undt umb 6. stück wein Aigenthumblich überlassen wollen.
9. wahr daß weillen diße forderung excehsiv geweßen auß dem wircklichen VerKauff oder übertrag sothanen Hinder Roth nichts wordten seye,
10. wahr daß Zeig einsmahls sich auff dißem Hindter Roth beholtzet, undt äste von denen aichbaümen abgehawen
11. wahr daß Auff des Herrn Michael Agydy gewesßener deß Stiffts officiati auff dem Ungebottenen Dings tag beschehene Klag Er Zeig deß wegen umb gelt Gestrafft worden
12. wahr daß Auch der Wickerer schäffer, alß Er auff solchem Hinder Roth geweidet beym Schultheißen Ver Klagt undt Abgestrafft wordten,
Denominatio testium cum Directorio
Testis Hanß Peter Seib. ad. 1.2.3.4.5.6.7, et 12
Testis 2. Philipß Eberwein. ad. 6.7. et 12
Testis 3. Christ Görg Kaus ad. 8.9. et 12:
Testis 4. deß Wilhelm Newen Jung. ad. 10 et 11 dißer ist nicht obhanden
Testis 4. Hanß Peter schumachers sohn nahmens Johannes schumacher. ad. 10 et.11
Testis 5. Martin Schwertzell der jetzige Undterschultheiß alhier. ad. 10.11. et.12
Testis 6. Hanß Peter staab. ad. 10.11. et 12

Underthänige Schultheiß Gericht undt Gantze Gemeinde Zu Flörßheimb   den 22ten 7bris 1699

Philipp Eberwein, 60 Jahre, Schiffmann, Bauer und Weingärtner, zu Flörsheim gebürtig
- Es were ein gewisser geistlicher Michael Agidi genant hinauff nacher Flörßheimb Kommen, undt denen nachbahrn daselbsten Zu verstehen gegeben, weil daß das Capitul Zu unser Lieben Frawn in Maintz das Hinder Roth verKauffen oder verlehnen wolte, darauff seye Er mit Hanß Peter Seüb herunter undt in die Capitulstub Kommen, undt von der sach außführlich geredt wordten, weilen aber das Capitul nicht völlig beysamen gewesen, so seye Kein schluß gemacht, sondern ein anderer termin auff des nechst gefolgten freytag gesetzt wordten, alß Er nuhn mit gemeltem Hanß Peter Seüben sich darauff in gemelte, anderwerthen termin bey Capitul dahier wieder eingefundten, hette die ahnwesende Herrn, nemblich Herr Dechant Merzer, Herr Maiser, Herr Senger Rockoch undt alle anderen ahnwesenden Herrn Capitulare vor gut befunden, auff einen gewissen Tag uff ged. Hinderroth den augenschein einZunehmen, auff welchen Tag dan Er Deponent undt Hanß Peter Seüb auff ged. Hinderroth uffgewarttet, es weren aber die Stiffts Herrn außblieben.
     - seye 60 Jahre alt, undt gedencke Ihme wohl von 50 Jahren hero, undt daß Zu flörßheimb die gemeine sag gewesen, daß die gemeine alimente, wegen ihr auff der gemeindt hafftender schulden uffgehoben werdten solten, welches nuhn ungefehr 40 Jahr seyn möge.
- Es seye dem damahligen Churfürstl. Commihsaryo dieses Hinderroth dem Hospital St. Barbara vor alle dessen forderung Capital und interehse ahn Zahlung  gegeben undt ahsignirt wordten.

Eberwein bestätigt, dass um 1660 (Kurfüstl. Dekret) die Allmenden eingelöst
(uffgehoben) werden sollten. Er sagt, das Hinterrod sei damals dem Hospital St. Barbara übereignet worden.
Er bestätigt das Kaufangebot des Stifts, bei einem Ortstermin seien die Stifftsherren aber nicht erschienen. Die Capitulstub ist die Herrenstube im Pfarrhaus.
Eberwein´s Vater kam aus Walldürn nach Flörsheim. Er war in den 1660er Jahren auch Schulmeister und initiierte 1666 eine Verleumdungskampagne gegen Pfarrer Münch, siehe hier. Sein Elternhaus war die Nr. 87 in Plan A.

Christ Georg Kaus, 53 Jahre, Weingartsmann, zu Flörsheim gebürtig
- Schulheiß undt gericht hetten Ihn beschiedten, undt gefragt, weilen sie vernohmen, daß er auch einer von den Jenigen seye, so das Hinderroth hetten Kauffen wollen.
- Das Capitul hette von Hanß Conrad Harden, Johann Ludwig Kohl, Jacob Brehm undt Ihme Deponenten vor das Hinderroth 6 Stück wein haben wollen, sie hetten aber gemeltem Stifft nuhr 4 Stück darfür geben wollen, Er Deponent seye damahl nicht in dem Capitul gewesen, sondern nuhr die ander drey.
- daß Hinderroth seye also Eigen blieben, wan solchem nach Jemandt eine Last graß nöthig gehabt, so seye er darauff geloffen.
- seye wahr, daß sie
(die Gemeinde) sich dieses orthß nicht angenohmen, Jedoch hetten sie, solches Hinderroth, nicht allein Ihnen vier, sondern auch einer andern Parteyen verKauffen wollen.

Ein Stück Wein sind 1200 L im damaligen Wert von etwa 80 fl. Das Stift wäre also mit 480 fl für das Hinterrod zufrieden gewesen; es kannte natürlich die Schätzung der Gutachter, die es für wertlos hielten. Das Hinterrod sei dem Stift eigen geblieben.
Die Gemeinde habe keine Verwendung für das Hinterrod, aber wenn jemand Gras brauchte, hätte er sich das dort besorgt.
Chr. G. Kaus entstammte einer sehr alten Flörsheimer Familie. Einer seiner Söhne, Caspar Kaus, begründete 1711 das Gasthaus “Zur Goldenen Rose”, das spätere “Scharfe Eck”. Sein Elternhaus war die Nr. 108 in Plan A.

Johann Peter Seib, 63 Jahre, Weingartsmann, Schütz, zu Flörsheim gebürtig
- hette davon gehört, aber das Hospital hette Zu Zeithen des Churfürsten Schönbornß das Undterpfandt uffgeholt
-Es Liegen ohngefehr 40 Morgen ahn einem Stückh beysammen, undt Ziehe auff die Wickerer wißen
- Wachse graß darauff undt machten die Leüth winderfutter darauff
- were (das Eichenholz) in das Lieben Frawen Stiffts Zehent Kelter Kommen
- es seyen davon schwellen under die Kelter gemacht wordten

- der Zimmermann (Valentin Simon) würdte wohl von dem Dr. Merzer oder Stifft bescheüdt gehabt haben, solche Zu hawen, Er der Zimmermann seye sein geVatter gewesen undt Ihn mit hinauß genohmen
- die Holtzbuben hetten bißweilen Holtz davon abgehawen
- die Leüth Pflegten winderfutter darauff Zu machen
- die gemeindt hette das Hinderroth weiter nicht genossen, außer daß die arme Leüth bißweilen hinauff gegangen und winderfutter darauff gemacht es seye ein wüsteney, undt wachse Kein gut graß darauff
- seines behalts Habe das Stifft drey oder vier Stückh wein haben wollen. Er undt Philippß Eberwein aber hetten gemeltem Stifft seines erinnerns 2 Stückh gebotten, Es were under anderen Herrn damahlen der H. Dr. Merzer, H. Maiser, H. Rockock, H. Horneckh undt andere mehr gegenwärthig gewesen
- sie hetten Zwahr einen Tag bestimbt behabt, nacher Flörßheimb Zu Kommen, Er undt seine Consorten hetten auch bey der Mühl uffgewarttet, Die Stiffts Herrn weren aber außblieben
- Er Hette darauff nicht geholtzet
- durch der Holtzbuben beholtzung weren die darauff gestandtene baüm verdorben wordten, undt stehe fast nichts mehr darauff, wan Jedoch die schützen einen darauff erdapt, so were Er gestrafft wordten
- Seines darfür Haltens seye ein Creditor solches Zu leiden nicht schuldig undt befugt derentwegen Zu Klagen

Seib bezeichnet das Hinterrod als wüsteney, wo kein gutes Gras wachse. Der Zimmermann sei von dem Stift (Merzer) beauftragt worden. Die Zehntkelter des Stifts, wofür die Schwellen gemacht wurden, stand im Kelterhaus auf den Pfarrhof.
Die Holzbuben waren wohl Jugendliche, die illegal Astholz gemacht und es verkauft haben.
Der Vater von J. P. Seib kam von Hessenlahn nach Flörsheim. Sein Hof war die
Nr. 9 an der Unterpforte in Plan A.

Johann Schuhmacher, 34 Jahre, Weingartsmann, zu Flösheim gebürtig
- Er wiste wohl, daß die gemeindt Flörßheimb dahin schuldig, wie viel aber seye Ihm unbeKant
- Etlich und Zwantzig Jahr, dan es gedenckhe Ihme wohl, daß die Brandenburger ahn Kommen
- Hanß Peter Seüb, alß damahliger Schütz Zu Flörßheimb Habe Ihn Deponenten undt Adam Kretz erdapt, alß sie im Hinderroth erwa ungefehr 2 wellen Holtz gemacht, darauff seye gemelter Seüb Zu Hern Agidi nacher Maintz geloffen undt sie derentwegen verKlagt, nach ungefehr 14 tag were H. Agidi nach Flörßheimb Kommen, undt Satisfaction begehrt, da dan sein des Deponentens verhör vor Ihn alß ein Jung Buben, 4 Kopfstückh, desgleichen Adam Kretz 4 Kopfstückh hetten BeZahlen müssen, wer nun eigentlich das geldt Empfangen, das wisse Er nicht.
- Er Hette damahl schon wohl gewist, daß das Hinderroth nicht der gemeindt, sondern dem Stifft Zu gehörig oder verlegt seye.
- Er mögte ungefehr 15 oder 16 Jahr alt gewesen seyn. Umb selbige Zeit seyen die darauff gestandtene Baüm von ästen noch gar schön gewesen, aber under dessen Hetten die wickherer sie gar sehr verdorben, undt die baüm undt das Holtz nicht bey tag sondern bey mondschein hinweg geholt, wiewohlen die flörßheimer den nahmen haben müsten, alß wan sie alles gethan hetten

Im Niederländisch-Französischen Krieg (1672-1678) stand das Reich auf der Seite der Niederlande. Brandenburgische Truppen machten auf ihrem Marsch Richtung Mittelrhein 1672 in Flörsheim Station. Das Haus des Juden Lesser wurde verbrannt.
Eine Welle Holz beschreibt ein Reisigbündel von 3 Schuh Umfang und etwa 6 Schuh Länge. Ein Kopfstück ist 1/3 Gulden.
Schuhmacher weis nicht, ob das Hinterrod im Besitz des Stifts oder noch Unterpfand ist. Um 1680 hätten die Eichen auf dem Hinterrod noch viele Äste gehabt, aber die Wickerer hätten nachts das Holz gestohlen., dafür seien die Flörsheimer beschuldigt worden.
Johann Schuhmacher war der einzig überlebende Sohn von Hans Peter Schuhmacher - 4 seiner Geschwister sind an der Pest gestorben, die ersten Pesttoten in Flörsheim. Die Hofreite von H. P. Schuhmacher war die Nr. 35 in Plan A.

Martin Schwertzell, 1640 geboren zu Hochheim, Unterschultheiß, Acker- und Weingartsmann
- es seye dem Stifft Ihr Underpfandt ahn Zahlung gegeben wordten
- Wilhelm Newen sein Jung undt Johannes Schuhmacher weren auff des Hern Michael Agidi begehren gestrafft wordten, Er hette von Jedem einen thaler gefordert, aber 4 Kopfstückh ahngenohmen.
- Er habe sein Lebtag nicht darauff geholtzet
- were so wohl durch flörßheimer alß wickherer Holtzbuben verdorben wordten, auch hetten die Husaren viele Baüm abgehawen undt Kohlen darauß gebrent
- Seye nicht recht, allwie sie die Flörßheimer hetten in diesem vorigen Krieg viel leyden müssen undt seye Ihnen Deponenten bey den Brandenburgern in Zwey nachten 22 fruchtbahre baüm abgehawen wordten.

Auch der Unterschultheiß sagt, das Stift habe sein Unterpfand eingelöst, als Unterschultheiß sollte er es eigentlich wissen.
Das Eichenwäldchen sei durch Flörsheimer und Wickerer Holzbuben verdorben worden, allerdings hätten die Brandenburgischen Husaren allein in zwei Nächten 22 gesunde Bäume gefällt und Holzkohle daraus  gebrannt.
Der aus Hochheim stammende Martin Schwertzel war Schreiner und Holzhändler. Seine beiden Hofreiten waren die Nrn. 95 in der Nähe der großen Mainpforte. 1678 eröffnete er auf dem benachbarten Gelände Nr. 32 (Plan A) einen Holzhandel, dem der Gemeindekegelplatz zum Opfer fiel, siehe hier.

Hanß Peter Staab, 58 Jahre, Acker- und Weingartsmann, gebürtig zu Wicker
- es seye beKant, daß die gemeindt solche dausent gülden schuldig gewesen, aber seines dafür Haltens nicht mehr, weilen sie Ihr Underpfandt gleichsamb Kaufft hetten
- Er wohne 37 Jahr Zu Flörheimb undt seye 32 Jahr bey gericht daselbsten
- seye wahr daß dem Stifft oder Spithal das Hinderroth ahn Zahlung gegeben wordten, wie das Churfürstl. Mandatum seye außgangen.
- Er Deponent habe nicht geholtzet, sondern böse buben, so auff dem Hinderroth von dasigen Eichbaümen Holtz gehawen in Specie Johann Schuhmacher undt wilheln Newen Jung, so gestorben
- die nachtdieb, Husaren undt völckher, so vor undt nach alda gestanden, hetten das daselbst gestandtene weltlein gantz verdorben, es seye ein so schönes weltlein gewesen, daß man auch wildt rehböckh undt dergleichen darin gesehen habe.

Auch Staab ist als Schöffe der Meinung, dass das Hinterrod um 1660 eingelöst wurde.
Das schöne Eichenwäldchen sei von Nachtdieben, Husaren und anderem Kriegsvolk verdorben worden. Man hätte Rehböcke darin gesehen.
Staab  heiratete 1663 Elisabeth Duchmann und wurde dadurch zu einem der wohlhabendsten Flörsheimer Einwohner. 1670 hatte er seine Frau wegen Ehebruchs verklagt, siehe hier. Sein Haus war die Nr. 31 in Plan A.

Das Hinterrod besteht aus Karst-, Kies- und Sandböden, siehe hier, die kein Oberflächenwasser halten können. Der Bewuchs ist Trockenrasen, bestehend aus Pflanzenfamilien, die mit der Trockenheit zurecht kommen (es wachse kein gutes graß darauff).
Als Ackerland taugte es, wie auch große Teile des Vorderrod nicht. Auf dem Rod konnte aber Wein angebaut werden, da die Rieslingrebe mit ihrer Pfahlwurzel mit der Oberflächentrockenheit zurecht kommt. Das Gleiche gilt für Eichen, die wegen ihrer Pfahlwurzeln trockenresistent und sturmfest sind.
Offenbar haben die Gutachter, die Vorder- und Hinterrod als wertlos eingestuft haben, nur seine Brauchbarkeit als Ackerland beurteilt.

Das Hinterrod Richtung Nordosten, in der Mitte die neue Flörsheimer Warte. Unterhalb der Buschreihe verläuft der Landwehrgraben, siehe hierAufn. 2011

Nach den Zeugenverhören verfasste das Flörsheimer Gericht ein Memorial, in dem es den Status Quo darstellt, siehe rechts. Was die Zusammenfassung der Zeugenaussagen betrifft, lässt sich das Dargestellte nachvollziehen - mit einer Ausnahme: In Punkt 4) wird das Hinterrod als des Hospitals Unterpfand bezeichnet, während in allen Zeugenaussagen inkl. der des Schultheißen das Gegenteil festgestellt wird. Hier muss man vermuten, dass das Gericht das frühere Unterpfand gemeint hat. Die Flörsheimer waren der Meinung, das Hinterrod sei eingelöst worden und im Besitz des Liebfrauenstifts/Hospitals St. Barbara.
Das Stift hingegen ist der Meinung, dass das Hinterrod noch Unterpfand und damit im Besitz der Gemeinde Flörsheim sei, wie die folgenden Fragen implizieren:
- Ob Zeüge nicht beKennen müsse, daß das Spital oder dessen provisores (Verwalter/Versorger) sich nimmermehr recht allß aigenthumbs Herren dieses orths ahngenohmen Haben?
-  Ob Zeüge nicht darfür gehalten, allß Er darauff geholtzet, es der gemeindt eigenthumblich seye?
- Ob ein Creditor schuldig ist Zu Leiden, da sein Underpfandt verwüstet wordten undt deßwegen bey der obrigKeit Zu Klagen befugt seye?

Die Frage ist, wie konnte es zu gegensätzlichen Auffassungen über den Besitzstatus  des Hinterrod kommen? Offenbar gab es keine beurkundete Übereignung des Unterpfandes Hinterrod, sonst hätte das Flörsheimer Gericht darauf verwiesen. Die Flörsheimer vermuteten, dass das Hinterrod nach dem Dekret des Kurfürsten eingelöst worden war, worauf auch die etwas vagen Formulierungen einiger Zeugen hindeuten. De facto befand sich das Hinterrod aber noch als Unterpfand im Besitz der Gemeinde Flörsheim.
Damit hatte das Stift dann aber das Problem, dass sowohl die Anweisung zum Fällen von Eichen zur Reparatur ihrer Zehntkelter als auch das Verkaufsangebot illegal waren - das Stift konnte nicht etwas verkaufen, was ihm nicht gehörte. Das erklärt die tendenziöse Anlage ihres Fragenkataloges und die Tatsache, das die Stiftsherren selbst bei dem Verkaufsversuch nicht in Erscheinung traten.
Man kann vermuten, dass der Verkauf als “Hinterhofdeal” vonstatten gehen sollte, der von ihrem officiatus Agidi betrieben wurde. Wäre der Deal zustande gekommen, hätten die Flörsheimer sich sicher nicht beschwert, das Hinterrod wäre unversetztes Eigentum von 4 Flörsheimer Einwohnern geworden. Das Stift hätte 6 Stück Wein für ein fast wertloses Gelände erhalten.
Der Deal kam aber nicht zustande, und so blieb dem Stift nur noch die Möglichkeit, wegen Wertminderung seines Unterpfandes zu klagen, dem nicht stattgegeben wurde. Am 12. Juli 1717  löste das Stift sein Unterpfand ein, und das Flörsheimer Gericht übereignete das Hinterrod dem Hospital St. Barbara.    

Memorial
Auff die Von dem Hospital St. Barbara in Maintz, gegen Unß die Gemeinde Flörßheimb gethane Klag: Vom 6ten Marty 1699: 1000 fl betreffent: ist

1: daß in Anno 1656 der Gemeindt Flörßheimb alle Creditores: per Emptorial seindt Citirt wordten undt ist Zu Franckfort, worms, Speyer, bingen undt Maintz ahn geschlagen wordten: uf gewissen termin sich ahn Zu melden
2: daß die Gemeinde in Anno 1617: 18 undt 19: daß Capital auffgenohmen, vermög des Churfürstl. rescripto ohne Consens Eines Hochwürd. dhomb Capituls,
3.
daß denen Creditoribus, vermög abermahliges rescripts die Undterpfändter, auff beschehene Commihsions überlegung in Zahlungs sachen, damit die stiffter undt wehr die sein so der Gemeindt Gelt vorgeschossen haben, ihre verschriebene Undterpfändten ahn nehmen, undt sich damahls mit Ein andter berechnen solten Uff erlegt wordten.
4: Giebt Zeugnis Hanß Peter Seib Gemeindeman in Flörßh: das Er dem Zimmerman Velten Simmon ahn des Hospitals Undterpfandt, daß Hindter Roth genandt, auß ahn weissung des Lieben frawen stiffts in Maintz, habe von denen darauff gestandtenen Aichbäumen Etliche abhawen helffen, welches Holtz gemeltes lieben frawen stifft, Zu reparirung Ihrer in flörßheimb habendten Zehnen Kelteren verbawen laßen,
5:
Giebt Zeugnis obgem. Hans Peter Seib, undt Philipß Eberwein, daß ihnen, von Ermelt capitul ad Gradus: daß selbe Hindter Roth, verKaufflichen jedocher auff ihr ahnSehung ahn gebotten wordten. undt umb Etliche stück wein Zu uberlassen
6. Giebt Zeugnis Christ Görg Kaus daß Er, undt sein schwiger Vatter Hanß Conradt Hardt, Wilhelm New, undt Johann ludwig Kohl daß selbe bey mehr gemelt. Capitul Kauffen wollen. 4 stück wein darauff gebotten wehren aber des Kauffs nicht einig wordten, weillen der damahlige Dechant Hw. Velusio 6. stück wein haben wolle:
7:  Alß wilhelm New, undt Hanß Peter Schumachers, bede Jung ahn den Eychbaümen so auff dem Hindter Roth gestandten haben geholtzet undt äst daVon abgehawen, undt sein Verrathen wordten, so  hat des Hospitals officiatus H. Michael Agidy auch daß selbe straff gelt, daß schulth. undt Gericht mit Zu gesehen Ein genohmen:
8. Alß der wickerer schäffer seine schaff uber daß Landtgewehr undt uf viellbesagtes Hindter Roth weiden laßen obged. officiatus aber dar Zu Kommen, hat er solches alhir beym schultheißen ahn geKlagt, daß daß selbe mögte verbotten undt abgestrafft werdten. 

 

Vorschlag des Flörsheimer Gerichts zum Inhalt eines Zeugenverhörs (Articuli Probatoriales)
HHStAW 105/352

Wir ober undt Undterschulteiß, Schöffen deß gerichtß, Benantlig oßwalt ahnschitz, Wiegantuß Breckheimer, Johann Philipuß Nauheimer, balthaser Krämer, balthaser berger, Johann Casper Müller Senior, undt Jacob ackerman :/ Gemeine Vorgänger und Gantze Gemeindt Flörsheimb ahm Meyn

bekennen hirmit für unß unßere Erben undt nachKommen demnach unßere Vor Eltern Zu deß fleckens Nodturfft im anfang deß vorigen Teüdtschen Kriegs, bey dem Lobligen Hospital Sancta Barbara in Mäyntß, den 11 Monatz Tag November 1618 gegen Versetzung undt Verpfändung der gemeinschafftliche Weith, daß Hindterroth genandt, Ein dausent Gulten ahn baarem gelt Entlehnet undt auffgenohmen haben, nach geendigten Teutschen undt Schwedischen Krieg aber befundten, daß der gemeindt Zu Flörsheimb sothanes Capital sambt denen dar Von rücKstehenden Zinßen ab Zu Tragen, oder aber mit Reichung gemelter Zinßen Von Jahr Zu Jahr Zu Continuiren allerdings Unmöglich gefallen,
undt dahero daß Werck Zu Einer Churfürstlichen Commihsion gediehen, auff deren abgestatten Relation wegen ChurFürst Johann Philipus Christ miltesten ahn denckens Gnädtigsten Resolviret, daß sich die Creditores mit dem Ihnen Verschriebenen Undterpfandt Contentiren undt Vergnügen Lasßen Sollen, allermaßen daß Lobl. Hospiral S:t: Barbara Jedoch daß imo mehr gemeltes Hospital Solches dem selben Versetztes Undterpfandt, daß Hindter Roth genandt, wie es allbereithß mit nach aus mesßung der 40 Morgen, so Verschrieben oder Verhypotheciret, mit Zehen gehawenen Stein, mit daß Hospital bey Zeigen umbsetzet, und von andern gütheren Entscheiden für ahn Erb= undt Eigentumblich Inhaben; nutzen undt geniesßen
 
auch Zwar daß wir ahnfangs gemelte Schultheißen = gericht, gemeine Vorgänger, undt gantze gemeindt, auff so ahngeregte Maaß undt weiß, undt mit voherstehender Condition undt bedingnißen mehr Erwhentes Hindterroth gegen würckliche extradition der Haupt Verschreibung in Solutum cedirt undt übertragen haben, thun solches auch hirmit vor unß undt unßere NachKommen, wohl wisßent, undt wohl bedächtlich, also undt dergestalten, daß Nunmehro offtermeltes Hospital S:t. Barbara solches Hindterroth mit begrieff wie Es in steinen stehet, alß Ihr Erb undt Eigenthumblich gut gantzs frey undt franck Ein haben, undt weder selbsten oder durch desßen Hern Zu bestelte Erb= oder andere beständer bauen nutzen undt geniesßen, oder sonsten darmit nach belieben Disponiren  Sollen undt Mögen,
solte sich jedoch über Kurtz oder Lang Ergeben, daß daß mehr Erwehnteß Hospital, deßen Hern Hern oberprovisores, auß Ein oder andere Ursachen bewogen werdten mögten, solches dem selben Erb= undt Eigenthumblichen Cediret undt übertrageneß Hindterroth, anderwerthß gantzlich Zu begeben, undt Zu verKauffen, so unß undt unßere gemayndt, Zu forderst, die wiederlößung oder daß abtriebrechts unßers orthß gewohnheit nach verbleiben, undt dabey dießes Reservirt haben, daß alß dann der Kauffer deßen Erben undt nachKommen, von mehr gemeltem Hindterroth, gleich andern bürgern undt Inwohnere Zu flörßheimb, so wohl die Herschafftlich= alß bürgerliche beschwerten undt onera mit tragen sollen, Zu Mehrerer sicherheit undt festhaltung alles obigen, haben wir ober undt undterSchultheiß; gericht, gemeine vorgänger, vor unß undt unßerer gantze gemeindt, unß sambt undt Sondters hirmit Eigenhändtig Undterschrieben ...

Flörsheimb  den 12. July  1717      

Übertragung des Unterpfandes “Hinterrod” an das Hospital St. Barbara als Eigentum, Transkription rechts
12. Juli 1717, Das Siegel des Flörsheimer Gerichts ist das gleiche wie 1703       HHStAW 104/144

Interessant ist, dass der 30-jährige Krieg als Teüdtscher Krieg bezeichnet wird. Warum hier wie auch in der Urkunde von 1703 ein Johann Philipp Christ als ehemaliger Kurfürst  erscheint, ist unklar. Es muss sich um Johann Philipp Schönborn (1647-1673) handeln.

Wie die anderen Kreditgeber mit ihren Unterpfänden/Sicherheiten verfahren sind, ist derzeit nicht bekannt. Man kann aber davon ausgehen, dass sie ebenfalls eingelöst wurden - auch nur die Tilgung eines 1000 fl - Kredits, und die Zahlung entsprechender Zinsen überstieg die finanziellen Möglichkeiten von Flörsheim. Man muss davon ausgehen, dass die Gemeinde Flörsheim als Folge des Hexenwahns alle Weiden und Wiesen mit Ausnahme der Au als Eigentum verloren hat. 

Der Erdelgraben und die Riedwiesen, verpfändet dem Stift St. Stephan

Die Au, Gemeindeweide, die einzige Allmende, die nicht verpfändet war

Der See, Feuchtgebiet (Mainaltarm), Gemeindeweide, verpfändet an das Clarenkloster

Das Rod, in der Bildmitte die Annakapelle, links das Vorderrod, rechts der Beginn des Hinterrod mit dem Abhang zun Landwehrgraben, verpfändet an das Clarenkloster und das Hospital St. Barbara

Die Bachwiesen, verpfändet an das St. Martin Stift in Bingen und an Dr. März

Der Maingrund, auch heute noch ab und zu verflößt, Hochwasser 2011, verpfändet an das Kloster Dahlheim und an die Mainzer Universität

Die Aufnahmen entstanden zwischen 2011 und 2013

Einige Bemerkungen zu einem denkbaren Hinrichtungsplatz von Hexen und Zauberern in Flörsheim:

Zu den Hexenprozessen oder Vorgängen in deren Zusammenhang gibt es in den Flörsheimer Gerichtsbüchern nur eine Aussage, siehe weiter unten. Im ersten Kirchenbuch werden 1627/28 neun Personen als verbrannt (combustus) genannt. Fast alles, was man über das Hexenunwesen in Flörsheim wissen kann, steht in den nur sehr lückenhaft erhaltenen Protokollen des Mainzer Domkapitels, die von [Luschberger 1991] ausgewertet wurden.
Er konstatiert, dass, was das Gebiet zwischen Main und Taunus betrifft, dort  keine Hinrichtungsplätze genannt werden. Für Flörsheim muss es daher bei Vermutungen und Spekulationen bleiben.
Nach Luschberger fanden in der ersten Phase der Hexenprozesse bis 1618 Hinrichtungen in Flörsheim statt. Es liegt vielleicht nahe, den Galgenberg als Hinrichtungsstätte zu vermuten, der nach dem Hochheimer Heimatforscher Otto Schwabe im Volksmund “Hexenberg” geheißen haben soll. Ein solcher Bergriff erscheint allerdings in keinem Flörsheim betreffenden Dokument des 16., 17. oder 18. Jhdts..
Auch der Flörsheimer Heimatforscher Jakob Dehn, der sich nach eigenen Angaben intensiv mit dem Hexenunwesen in Flörsheim beschäftigt hat, benutzt diesen Begriff nicht aus eigener Kenntnis, sonder zitiert in einem Zeitungsartikel von 1981 Otto Schwabe [Dehn 1981]. Der “Hexenberg” ist wohl eine Erfindung von Otto Schwabe.

Luschberger hält den Galgenberg als Hinrichtungsstätte für nicht sehr wahrscheinlich, da nach seiner Kenntnis solche Hinrichtungsstätten wegen der gewünschten Öffentlichkeit immer in der Stadt, im Dorf oder in unmittelbarer Nähe lagen, was für den Galgenberg nicht zutrifft.

Einen klaren Beleg für Mainz als Hinrichtungsort in der letzten Phase der Hexenprozesse gibt ein Gerichtbucheintrag vom 16. Mai 1673, wo die Erben eines Mainzer Wirts 104 fl an offenen Rechnungen einklagen, Spesen, die Flörsheimer Gerichtspersonen verursacht und nicht vollständig bezahlt haben: 
Zue maintz bey Justificarung etlicher Zauberer in Anno 1630 Undt dergleichen Jahren VerZehrten UhnCösten.
Es handelte sich offenbar um mehrere Verbrennungen aus den Jahren 1630 und davor (nach 1630 fanden im Erzstift Mainz keine Hexenprozesse mehr statt). Dafür spricht auch die beachtliche Summe von 104 Gulden, der Wert einer kleinen Hofreite.
Man kann davon ausgehen, dass die 9 Flörsheimer, die 1627/28 verbrannt wurden, dies in Mainz erlitten haben.

In “Flörsheimer Geschichtshefte” Nr. 6/7 von 2008, in dem die Feldkreuze und Kapellen in der Flörsheimer Gemarkung aufgeführt sind, wird ein Feldkreuz als auf dem Galgenberg/Hexenberg stehend bezeichnet.
Das Kreuz wurde 1750 von Johann Jacob Kohl und seiner Frau gestiftet, siehe rechts. Von einigen Heimatforschern wurde es als “Hexenkreuz” bezeichnet.
Das Kreuz steht allerdings nicht auf dem Galgenberg, sondern am südlichen Abhang des Rodplateaus oberhalb der Bachwiesen, 250 m Luftlinie vom Galgenberg entfernt! Siehe die Karte hier, in der das Kreuz eingetragen ist. Der Galgenberg ist die Anhöhe direkt nördlich der Obermühle. Mit Hexen hat das Kreuz, das “Gott zu Ehren” errichtet wurde, sicher nichts zu tun.

2013 wurde hier eine Gedenktafel zur Erinnerung der Flörsheimer, Wickerer und Weilbacher Opfer der Hexenprozesse aufgestellt.

“Hexenkreuz” am südlichen Hang des Rodplateaus oberhalb der Bachwiesen     Aufnahmen 2011

Die Inschrift lautet (restauriert):

ANNO 1750
HAT GOTT ZU EHREN
DISES KREUZ LASEN
AUFRICHTEN DER JOHAN
JACOB KOL UND ANNA
GERDRUDA KOLIN SEIN
HAUSFRAU FLÖRS
HEIM

Klage des Hospitals St. Barbara

Am 6. März 1699 klagte das Hospital St. Barbara in Mainz, gegen die Gemeinde Flörsheim wegen Wertverlustes des  “Hinterrod”, das ihm am 11. November 1618 für einen Kredit von 1000 fl verpfändet worden war. Es klagte nicht auf Zahlung der rückständigen Zinsen - zu dem Zeitpunkt war klar, dass laut Dekret des Kurfürsten die einzige Möglichkeit, Nutzen aus dem Unterpfand zu ziehen, war, es einzulösen.
Kernpunkte des Vorgangs waren das Abholzen eines Eichenwäldchens, das dort einmal existierte, und  der Versuch des Liebfrauenstifts, das Hinterrod an Flörsheimer Einwohner zu verkaufen (das Hospital St. Barbara wurde vom Liebfrauenstift verwaltet, das auch formal als Kläger auftrat). Die Besitzverhältnisse des Hinterrod waren vollkommen unklar, wie sich herausstellt, siehe weiter unten.
Das Flörsheimer Gericht reagierte am 22. September 1699 mir dem Vorschlag an das Kapitel des Stifts, Flörsheimer Einwohner als Zeugen zu den Vorgängen zu verhören, legte eine Liste von Fragen zur Beweisaufnahme (Articuli Probatoriales) vor und benannte die Zeugen, siehe rechts.
Das Kapitel des Stifts war offenbar damit nicht einverstanden und legte am 7. Dezember 1699 einen abgeänderten, wesentlich umfangreicheren Fragenkatalog (siehe hier) vor. Dabei sind die Fragen, die den Verkaufsversuch und die Besitzfrage betreffen, als Suggestivfragen (Ob Zeüge nicht beKennen müsse, daß...) formuliert, was die Absicht erkennen lässt, den Verkaufsversuch möglichst ungeschehen zu machen, und das Hinterrod  als Unterpfand noch im Besitz der Gemeinde Flörsheim befindlich darzustellen. Die Zeugenaussagen geben interessante Einblicke in damalige Verhältnisse und sind in wesentlichen Ausschnitten im Folgenden wiedergegeben. Die Zeugenverhöre fanden zwischen dem 18. und 22. März 1700 statt.

Die Schulden der Gemeinde Flörsheim aus den Hexenprozessen