Seitdem die Herren von Eppstein 1270  das Dorf und ihren Landbesitz in der Gemarkung Flörsheim an das Mainzer Domkapitel verkauft hatten, unterlagen die Flörsheimer nicht mehr dem Mechtildshäuser Gericht der Eppsteiner, sondern Flörsheim erhielt eine eigene Niedergerichtsbarkeit, ein Halbschöffengericht (7 statt 14 Schöffen). Die hohe Gerichtsbarkeit (Mord, Raub, Diebstahl, Landesverrat, Brandstiftung, Körperverletzung, Sodomie, Ehebruch) lag beim Mainzer Domkapitel.
Das Mainzer Domkapitel war  seit 1270 Gerichtsherr in Flörsheim. In Hochheim z. B. war das anders: Zwar erwarb das Domkapitel 1273 Dorf und Teile der Gemarkung, die Gerichtsbarkeit aber erst 1478 von den Eppsteinern ([Schüler 1887]). In Hochheim lagen  also Grund- und Gerichtsherrschaft 200 Jahre lang nicht bei der gleichen Obrigkeit. Das dürfte der Hauptgrund sein, warum sich viele Sitten und Gebräuche, insbesondere auch Gerichtspraktiken in Flörsheim  und Hochheim unterscheiden.

In der Urkunde von 1290 wird ein Acker aufgeführt, der beim Galgen (prope patibulum) liegt. 1320 gab es in der Flörsheimer Gemarkung den malweg und die Ortsbezeichnung bi deme galgen, später den Galgenberg, den Mehlberg und den Gerichtsweg/Galgenweg, der vom Mehlberg zum Galgen führte, siehe Plan L. Das althochdeutsche Wort “mahal” bedeutet Gerichtstätte; aus mahal wurde mehl. Leider sind Mehlberg, Galgenberg und Galgenweg dem Dyckerhoff´schen Steinbruch zum Opfer gefallen, Mehlberg und Galgenberg wurden aber durch Abraum in etwa der alten Höhe wieder aufgeschüttet, siehe hier, so dass man sich auch heute noch ein Bild vom Standort des Galgens machen kann.

Eine Rechtsprechung unter freiem Himmel (auf dem Mehlberg) geht auf germanische Bräuche zurück. Der Mehlberg war Versammlungsplatz eines germanischen/frühmittelalterlichen Gerichts in der Flörsheimer Gemarkung und Ort der Rechtsprechung. Er war Gerichtsstätte -  nicht Richtstätte. Richtstätte war spätestens nach 1290 der Galgenberg. Ob nach 1270 noch auf dem Mehlberg Recht gesprochen wurde, ist nicht überliefert. Man kann aber davon ausgehen, dass bald nach Erhalt der eigenen Niedergerichtsbarkeit Flörsheims unter der Herrschaft des Domkapitels ein Rathaus existierte, das dann der Versammlungsort des Gerichtes war, siehe hier.

Warum allerdings in der Flörsheimer Gemarkung ein Galgen stand, verwundert zunächst - die hohe Gerichtsbarkeit lag nach 1270  in Mainz, und nur die konnte Todesstrafen verhängen. Der Galgen war entweder ein Galgen des Mainzer Hochgerichtes oder er stammte noch aus der frühen Eppsteinischen Zeit und gehörte zum Mechthildhäuser Gericht. Nach [Schäfer 2000] lag der Sitz des Mechthildshäuser Gerichts in der Gemarkung Kostheim, wo ein Galgen stand.
Bei dem Flörsheimer Galgen muss es sich daher um einen Galgen des Hochgerichts des Mainzer Domkapitels handeln, der zwischen 1270 und 1290 errichtet wurde. Frau Dr. Schäfer vom Historischen Seminar der Johannes Gutenberg Universität Mainz hält diese Interpretation für sehr wahrscheinlich.
W
ie alle Galgen stand er zur Abschreckung an einer sehr exponierten Stelle, am südlichen Ausläufer des Rodplateaus über der Mainebene, direkt oberhalb der späteren Obermühle, vom Main aus sichtbar, neben einem bedeutenden Fernweg und in der Nähe von Mainz, siehe Kartenausschnitt und Abb. rechts.
Wie lange der Flörsheimer Galgen bestand, ist nicht bekannt. Zwar gab es 1656 noch den Galgenweg und den Galgenberg, was aber nicht bedeuten muss, dass zu dieser Zeit der Galgen noch existierte.
Für Hochheim ist kein Galgen nachweisbar. Hochheim kam erst 1478 zur Mainzer Gerichtsbarkeit, als es  den Flörsheimer Galgen schon lange gab.

1587 ist zum ersten Mal von Ober- und Unterschultheiß die Rede, siehe Dokument rechts unten. In allen Urkunden zwischen 1270 und 1587 gibt es nur den Schultheiß, der bis dahin die Aufgaben der späteren Ober- und Unterschultheiße wahrnahm. Das Flörsheimer Gericht bestand bis zu dieser Zeit aus Schultheiß und 7 Schöffen, danach aus Oberschultheiß, Unterschultheiß und 6 Schöffen, und die wesentlichen Aufgaben der Niedergerichtsbarkeit fielen dem Unterschultheißen und den 6 Schöffen zu.
Im 17. Jhdt. war der Oberschultheiß formal der Vorsitzendes des Gerichts. Der Oberschultheiß, der oft ursprünglich kein Flörsheimer war, wurde vom Domkapitel eingesetzt; er war Beamter und Verwalter des Domkapitels

Der Unterschultheiß (underschultheß) wurde von den Schöffen aus dem Kreis der 7 Schöffen bestimmt und musste, wie die Schöffen auch, vom Domkapitel bestätigt werden. Alle bekannten Unterschultheiße waren Flörsheimer. Der Unterschultheiß kümmerte sich in erster Linie um die innerdörflichen Angelegenheiten. Allerdings gab es manchmal keine strikte Aufgabenteilung zwischen Ober- und Unterschultheiß, und wer was in die Hand nahm, hing auch von den jeweiligen Persönlichkeiten ab. Anders als z. B. in Weilbach war in Flörsheim nie ein (Land)Adeliger Ober- oder Unterschultheiß.
Unterschultheiß und Schöffen hatten ihre Ämter auf Lebenszeit, anders als bei [Schultze-Petzold 1973] und im Ortslexikon von  Lagis dargestellt. Eine Entlassung aus dem Schöffenamt bedurfte triftiger Gründe und musste vom Domkapitel genehmigt werden.

Nach den Bürgermeisterrechnungen von 1633 bis 1640, denen man die Besoldung der Gerichtspersonen entnehmen kann, siehe hier, sind erst von 1768 bis 1799 wieder Bürgermeisterrechnungen erhalten. In diesem Zeitraum erhielten Ober- und Unterschultheiß eine jährlich Besoldung von 25 fl bzw. 8 fl und einen fastnachtsbraten im Wert von1 fl 30 xr.  Dem jeweiligen Oberschultheißen gehörte die Amtswiese, die er für 8 fl jährlich als Viehweide an die Gemeinde verpachtete. Für jeden abgehaltenen Jahrmarkt erhielt der Oberschultheiß 8 fl , der Unterschultheiß 3 fl 30 xr  und die Schöffen kleinere Gebühren. Selbst im Jahr 1798, als der Jahrmarkt wegen einer Hornviehseuche nicht stattfinden konnte, genehmigte sich das Gericht eine Marktzulage von 12 fl für Wein.
Der Gerichtsschreiber erhielt eine reguläre Besoldung von 8 fl und der Gerichtsdiener (petell) eine von  2 fl und jedes Jahr ein paar neue Schuhe. Die Gerichtspersonen erhielten 9 fl für das beschütten des Eichzubers und das Himmeltragen bei den Prozessionen an Fronleichnam und am Verlobten Tag.
Für jede Art von Amtshandlung und für gemeindegänge wurden dieten aus der Gemeindekasse bezahlt, deren Höhe unabhängig von der jeweiligen wirtschaftlichen Lage der Gemeinde war, und die die eigentliche Besoldung um ein Vielfaches übertraf. Das Einkommen eines Oberschultheißen im genannten Zeitraum dürfte über 200 fl gelegen haben.
Eine sehr detaillierte Besoldungsliste von Oberschultheiß und Gericht aus dem Jahr 1725 kann man hier finden.
Ab 1785 waren die Bezeichnungen für Ober-/Unterschultheiß “Amtssschultheiß” bzw. “Gerichtsschultheiß”. 

Im 17. Jhdt. bildeten Ober/Unterschultheiß und Schöffen das Gericht im engeren Sinne, das  für notarielle Beurkundungen  (einwehrungen, Testamente, Inventaraufnahmen, Erbteilungen, Einkindschaftsverträge) und alle anderen Entscheidungen der niederen Gerichtsbarkeit zuständig war. Entscheidungen, die weniger rechtsprechenden Charakter hatten, aber für die gesamte Dorfgemeinschaft wichtig waren, wurden von einem erweiterten Gericht (Gemeinderat) getroffen , das aus den Schultheißen, den Schöffen und den Gemeindevorgängern und Viertelmeistern bestand. Zu den jährlich gewählten Viertelmeistern siehe hier.
Dieses Gremium wurde oft als das Gericht bezeichnet (rechts), manchmal wurde aber auch zwischen Gericht, Gemeindevorgängern und Viertelmeistern unterschieden.
Die Gemeindevorgänger (“Zwölfer”) wurden vom Gericht im engeren Sinne bestimmt, auf einem ungebotenen Ding angenommen und vom Amtmann in Hochheim bestätigt. Sie hatten innerdörfliche hoheitliche Aufgaben wie z. B. die Inspektion der Ortsbefestigung, die beschüttung des Eichzubers, die Kontrolle von Maßen und Gewichten, Setzen von Grenzsteinen etc.. Wenn etwas für die Gemeinde im Mainz oder Frankfurt zu erledigen war, wurden in der Regel Gemeindevorgänger geschickt. In einem Vollschöffengericht wie in Hochheim nach 1478 gab es ursprünglich 12 Gemeindevorgänger, daher die auch in Flörsheim gebräuchliche Bezeichnung “Zwölfer”, obwohl es in Hochheim [Schüler 1887] im 17. Jhdt. wie auch in Flörsheim nur 4-8 gab. Auch die Gemeindevorgänger hatten ihre Ämter auf Lebenszeit, siehe hier.
Wenn Gemeindevorgänger und Viertelmeister sich nicht einig waren, was vorkam,  wurde auf einem ungebotten ding entschieden..

Während heutzutage ein Gericht rein rechtsprechende Funktionen hat, war der Aufgabenbereich des historischen Flörsheimer Gerichts weit umfassender. Das Gericht war zuständig für:

Rechtsprechung bis zu einer Geldstrafe von etwa 50 fl (der Wert eines guten Pferdes) und Turmstrafen (Kerker)
-  Festlegung der Gemeindesteuern (beth), der Wachgelder und aller sonstigen Abgaben an die Gemeinde
-  die Erhebung und Abführung der Abgaben nach Mainz (Schatzung, Atzgeld und Zollgelder) 
-  Festlegung des Rügenregisters (Ordnungswidrigkeiten) und Führung des Frevelregisters (Straftaten)
-  alle Verwaltungsaufgaben der Gemeinde (Brandschutz, Traufrechte, Überprüfung von Maßen und Gewichten, etc.)
-  Verpachtung von Gemeindeeigentum (Bestandsgelder) an Äckern, Wiesen, Weiden und die Schäferei
-  alle Angelegenheiten des öffentlichen Lebens (Heckewirtschaften, Kegelplatz, Feiertage etc.)
-  die Besetzung der öffentlichen Ämter
-  notarielle Beurkundungen (Hofreiten, Grundstücke, Testamente, Inventaraufnahmen, Erbteilungen)

Was die Rechtsprechung betrifft, war das Flörsheimer Gericht nicht zuständig für Gewaltverbrechen und Straftaten wie  Mord, Totschlag, Raub, Diebstahl, Landesverrat, Vergewaltigung, Ehebruch, Sodomie und Zauberei.
Der Zuständigkeitsbereich des Flörsheimer Gerichts erstreckte sich über die gesamte Gemarkung und auf alle Einwohner. Sie erstreckte sich auch auf alle in Flörsheim Begüterten, auch wenn sie ihren Wohnsitz nicht in Flörsheim hatten, wenn es um Angelegenheiten dieser Güter ging.
Die Niedergerichtsbarkeit umfasste auch Gerichtsfremde, wenn auch nur ein Beteiligter an einem gerichtsrelevanten Vorgang Flörsheimer war; so konnten z. B. Hochheimer Einwohner vor das Flörsheimer Gericht zitiert werden (natürlich auch umgekehrt).

Das Flörsheimer Gericht vereinte judikative und exekutive Funktionen in einem Gremium. Das Flörsheimer Gericht war das Rechts- und Entscheidungsorgan der dörflichen Selbstverwaltung.
Es genoss beim Domkapitel eine hohe Akzeptanz - es ist kein Fall bekannt, wo das Domkapitel einen Beschluss des Flörsheimer Gerichtes aufgehoben hätte, was andernorts durchaus vorkam. Mehr noch, das Flörsheimer Gericht konnte bestimmte Anordnungen des Domkapitels unter Berufung auf das Solmser Landrecht ignorieren, siehe weiter unten. Das Flörsheimer Gericht und damit auch die Flörsheimer Einwohnerschaft hatten für die damalige Zeit eine bemerkenswerte Selbstständigkeit.
Das älteste erhaltene Siegel des Flörsheimer Gerichtes ist von 1475, siehe hier. Siegel zu anderen Zeiten siehe hier.

Das Gericht oder Teile davon traten im großen Rathaussaal zusammen an drei verschiedenen Arten von Gerichtstagen, diese waren:

1 Die drei ungebotenen Dingtage (vom germanischen “Thing”, Gerichtsversammlung), die in der Mitte des 17. Jhdts. in Flörsheim festgelegt waren auf die Dienstage nach  Cathedra Petri  (Peterstag), 22. Februar; Johannes Baptista (Johannes der Täufer), 24. Juni und Galletag (St.Gallus), 16. Oktober. Ungebotene Dingtage brauchten nicht geboten zu werden, weil die Termine dieser Gerichtsversammlungen von vorn herein feststanden, daher ungeboten.   Der Brauch von drei ungebotenen Dingtagen findet sich im gesamten deutschsprachigen Reichsgebiet.
Die ungebotten Dinge waren die gewichtigsten Gerichtsversammlungen im Jahr und fanden die Aufmerksamkeit der Mainzer Obrigkeit. Hier konnten die Flörsheimer Bürger ihre Anliegen, Klagen und Vorschläge einbringen, über die dann vom Gericht entschieden wurde.
Die Besetzung der meist jährlich wechselnden öffentlichen Ämter erfolgte an zwei ungebotenen Dingtagen, und zwar für die Flurschützen, Weingartsschützen und den Märker am Dienstag nach Peterstag im Februar und für Bürgermeister, Kirchenmeister, Büttel, Viertelmeister, Schröder, Kandebeschitter, Brotwieger und Feuerläufer am Dienstag nach Galletag im Oktober.
Auf die öffentlichen Ämter konnte man sich bewerben; besonders begehrt waren Büttel und Viertelmeister. Gab es mehrere Bewerber, wurde gelost (gespielt). Das Rathaus, auch Gemeindehaus oder Klaghaus, wo die Gerichtsversammlungen statt fanden, hieß ab und zu auch Spielhaus
Ab 1682 wurde das erste ungebotene Ding im Jahr auf den Dienstag nach Dreikönigstag im Januar gelegt und alle öffentlichen Ämter bis auf die Feuerläufer an diesem Tag vergeben. Ab diesem Jahr wurden die Feuerläufer nicht mehr jedes Jahr neu bestellt.
Bei einem ungebotenen Ding hatten sich neben allen Gerichtspersonen alle Hofbesitzer und Hausvorsteher (gemeindeleut) einzufinden, 1656 etwa 110 Personen. Auch alle in Flörsheim begüterten Klöster hatten einen dingman zu stellen. Wer einem ungebotenen Ding fern blieb, wurde mit einer Geldstrafe belegt; kam es öfters vor, wurde die Strafe erhöht oder er konnte sogar dingfest (inhaftiert) gemacht werden. Eine Frau konnte, wenn sie Witwe war, vor Gericht erscheinen und ihre Ansprüche geltend machen.
Zu Einzelheiten der Flörsheimer Gerichtsprozessordnung und zum Ablauf eines ungebotenen Dings siehe rechts.

2  Die gebotenen Dingtage unterschieden sich von den ungebotenen dadurch, dass sie nur bei Bedarf aus aktuellem Anlass einberufen (geboten) wurden.

3 Die regelmäßigen Sitzungen von Unterschultheiß und Schöffen zwecks einwehrung (Besitzübernahme) und Beurkundungen aller Art. Sie fanden alle 14 Tage dienstags statt, in Ausnahmefällen auch samstags. Sie hatten mit einer Gerichtsversammlung im ursprünglichen Sinne eines Dings nichts zu tun.
Die Gerichtsbucheinträge für Einwehrungen enden mit der Formulierung  thut darauf die 1:2:3:4: ist immittirt oder thut seine Clag 1:2:3:4: ist immittirt. .
Hier spiegelt sich ein bisher unverstandenes Detail der Flörsheimer Gerichtsprozessordnung wider, siehe rechts. Die Flörsheimer Gerichtsprozessordnung verlangte, dass eine beabsichtigte Einwehrung an vier, im Abstand von 14 Tagen aufeinanderfolgenden Gerichtsterminen vorgebracht werden musste. Erfolgte in diesen 6 Wochen kein Einspruch, konnte das Gericht rechtswirksam entscheiden, danach war kein Einspruch mehr möglich. „Immitiert“ oder auch in der deutschen Form „eingewehrt“ bedeutet, dass der Käufer der jetzt rechtmäßige Besitzer war.
Die Frist von 6 Wochen geht auf germanische Rechtsbräuche zurück. Der Abstand zwischen zwei  Dingen (dingfrist) war bei den Sachsen 6 Wochen, bei den Franken 40 Nächte, siehe Thing.
Der Name des Wochentages Dienstag/dinstag kommt von Dingstag, da an diesem Tag die Dinge abgehalten wurden. Der germanische Kriegsgott Tyr/Ziu war der Beschützer des Things. Im Englischen heißt der Dienstag Tuesday.

Eine Einwehrung oder Immitierung war eine gerichtlich beurkundete Inbesitznahme von Gütern. Nach der Einwehrung war der Käufer der rechtmäßige Eigentümer.  Dem ging in der Regel ein Kaufvertrag, mündlich oder schriftlich, zwischen Käufer und Verkäufer voraus, der nicht im Zuständigkeitsbereich des Gerichtes lag.
Hatte ein Käufer sich nicht einwehren lassen, aus welchen Gründen auch immer, konnten der Verkäufer oder dessen Nachkommen das Gut unter Bezahlung des Kaufpreises und der Wertsteigerung zurück fordern, auch noch nach 20 Jahren. .
Bei den Einwehrungen in GB 1447-1613 GN werden bis 1585 keine Angaben über Kaufpreis, etwaige Belastungen oder Zusatzklauseln gemacht, erst danach werden diese Informationen auch angegeben.
Im ersten Gerichtsbuch ist, von einigen Umstellungen in einigen Jahren abgesehen, die Formulierung einer Einwehrung: A hat ein gang gegangen in ein hofreith/acker/weingarten ist zuvor gewest B. [Schultze-Petzold 1973]  führt dies Formel auf einen Satz im Kleinen Kaiserrecht zurück, in dem eine Passage tzu den getzeiten mit dem dinge gegangen, vorkommt, was aber nichts anderes heißt, als “zu den festgesetzten Zeiten zur Gerichtsversammlung gegangen”.
Im Mittelalter war es Brauch, dass eine Inbesitznahme vor Ort auf dem gekauften Grundstück stattfand, und daher Käufer, Verkäufer und Gerichtspersonen dort hin gingen. Es ist viel plausibler, dass die Einwehrungsformel auf diesen Brauch zurück geht, auch wenn er im 16. Jhdt. wahrscheinlich nicht mehr praktiziert wurde.

Über diese Arten von Gerichtsversammlungen herrscht in der lokalhistorischen Literatur erhebliche Verwirrung. Die turnusmäßigen Gerichtssitzungen im Abstand von 14 Tagen werden mit den ungebotenen Dingen verwechselt. Das geht auf [Schüler 1886] zurück, wo man lesen kann: “Zu den jährlichen, mit je 14 Tagen Zwischenzeit aufeinanderfolgenden drei ungebotenen Dingtagen ---”. (Schüler war Archivar im Staatsarchiv Wiesbaden, er kannte die Flörsheimer Gerichtsbücher nicht).
Abgesehen davon, dass man die Termine der drei ungebotenen Dinge leicht den Flörsheimer Gerichtsbüchern entnehmen kann, machen drei ungebotene Dingtage innerhalb von 6 Wochen offensichtlich keinen Sinn - was geschieht im restlichen Jahr?
Auch [Schultze-Petzold 1973], der ebenfalls diesem Irrtum unterliegt, erschließen sich Struktur und Funktion des Flörsheimer Gerichtes nicht hinreichend, was auch durch Analyse nur des ersten Flörsheimer Gerichtsbuches nicht möglich ist.

Die Gerichtsprozessordnung und die Rechtsgrundlage des Flörsheimer Gerichts  waren bis Ende des 16. Jhdts. nur mündlich überliefert, wie auch aus den Ausführungen des Unterschultheißen (rechts) klar hervorgeht. Wie anderswo war das Recht ein Gewohnheitsrecht, das auf germanische Wurzeln zurückging, örtliche Unterschiede aufwies und nirgendwo schriftlich festgehalten war.
Ab 1645 (GB 1645-1674 G) bezieht sich das Flörsheimer Gericht häufig auf das Solmser Landrecht. Das Solmser Landrecht enstand aus einer systematisierten Sammlung der in der Grafschaft Solms und in anderen Landesteilen geltenden Rechtsordnungen. Die endgültige Form des Solmser Landrechts griff die örtlichen Gewohnheitsrechte auf, schränkte sie  aber zwecks einer höheren Verbindlichkeit ein und ersetzte Lücken des Gewohnheitsrechtes durch römisches Recht. Das römische Recht (Kaiserrecht) galt bis dahin nur subsidiär, d. h. nur dann, wenn das Gewohnheitsrecht für eine bestimmte Situation keine juristische Lösung hatte.
“Ausdruck und sprachliche Gestaltung des Solmser Landrechtes eigneten sich gerade für solche Landesteile mit überwiegend bäuerlicher Bevölkerung. Es kann als ein für die damaligen Laienrichter hervorragend geeignetes Rechtsbuch  angesehen werden” [Welkoborsky 1967].
Das Solmser Landrecht ist ein Zivilrecht und umfasst die Rechtsfelder Personenrecht (Vormundschaft, Eherecht), Sachenrecht (Liegenschaftsrecht, Abtrieb, Erbleihe, Pfandrecht), Schuldrecht (Tausch, Leihe, Schenkung, Bürgschaft), Eheliches Güterrecht (u. a. Einkindschaft) und Erbrecht.
Der Abtrieb als altes Gewohnheitsrecht ist im Solmser Landrecht verankert; er spielte in der Flörsheimer Gerichtsbarkeit eine erhebliche Rolle. Das römische Recht gestattete keinen Abtrieb

Das Solmser Landrecht wurde 1571 veröffentlicht und setzte sich danach in der Wetterau und in anderen Landesteilen, auch im Mainzer Erzstift durch [Welkoborsky 1967].  Ein Mainzer Landrecht entstand erst 1755 [Kurz 1866]. Man kann davon ausgehen, dass das Flörsheimer Gericht sich bereits in der ersten Hälfte des 17. Jhdts. weitgehend  am Solmser Landrecht orientierte (für die Zeit von 1613 bis 1645 sind in Flörsheim keine Gerichtsbücher erhalten). Bei der Befragung des Schultheißen 1587 (rechts) erwähnt dieser das Solmser Landrecht noch nicht.
Die Übernahme des Solmser Landrechtes als Rechtsgrundlage des Flörsheimer Niedergerichtes geschah nicht in allen Rechtsfeldern gleichzeitig. So schreibt das Solmser Landrecht vor, dass bei einer Einwehrung Kaufpreis und Belastungen (beschwernisse) im Gerichtsbuch eingetragen werden müssen, was im Flörsheimer Gerichtsbuch bereits ab 1585 geschieht. Auf der anderen Seite wird der alte Rechtsbrauch, dass ein Testament unter freiem Himmel errichtet werden muss, vom Solmser Landrecht ausdrücklich abgeschafft. Im Testament von Balthasar Bring von 1608, siehe hier, wird genau diese Formulierung noch benutzt.

Dass das Flörsheimer Gericht Anordnungen selbst des Domdechanten unter Berufung auf das Solmser Landrecht wirkungslos machen konnte, zeigt ein Gerichtsbucheintrag von 1707:

Obwohllen Von Hochgebürtliche Gnädige Herrschafft Ihro Hochw. und Gnädige Dhombdechanten Franz Emmerich Wilhelm Von Budenheimb obgemelt kauffender Judt Muusche Zwey Decreta bey gericht vorgezaigt, dass schulteß und gericht Juden in die Hans Thomase Haus und Hoffreith immittiren sollen , So ist doch solches Vermög unserer Solmischen ordnung wiederumb auffgehoben und befohlen worden, dass Wir Schultheiss und Gericht dem Johannes Nauheimer und seiner hausfrau nahmens Dorothea als die abtrieberin immittiren sollen Welches Wir Schultheiss und Gericht Sie obgemelte beide Eheleuth Würklich immittiren thun, und ist die Immission geschehen  den 18ten 8bris 1707. GB 1674-1718 G

Im ersten Flörsheimer Gerichtsbuch GB 1447-1613 GN ist ab Doppelseite 129 auf 80 Seiten das “Kleine Kaiserrecht”, von manchen Rechtshistorikern auch als Frankenspiegel bezeichnet,  niedergeschrieben; für ein Gerichtsbuch eines Dorfes mit etwa 500 Einwohnern sehr ungewöhnlich. Zum Kleinen Kaiserrecht, das nach 1300 im Frankfurter Raum entstand, und dessen Fassungen gibt es umfangreiche Literatur; zum Flörsheimer Text siehe [Schultze-Petzold 1973] und [Munzel-Everling  2003].

Interessant ist, dass in keinem einzigen Flörsheimer Gerichtsbuch, einschließlich dem ersten, darauf Bezug genommen wird.
Bei der Befragung des Schultheißen 1587 wird es mit keinem Wort erwähnt (rechts). Auch wenn einige Elemente des Flörsheimer Gerichtswesens sich auch im Kleinen Kaiserrecht finden, siehe rechts, war es doch in weiten Teilen nicht zum praktizierten Gewohnheitsrecht kompatibel und daher für das Flörsheimer Niedergericht ohne allzu große Bedeutung. Auch dürfte die überhöhte Rolle des Kaisers und die Aussage, dass er das Gericht gefunden habe (siehe unten), beim Flörsheimer Gericht zu dieser Zeit auf wenig Verständnis gestoßen sein. Erst das Solmser Landrecht, das eine Synthese zwischen Gewohnheitsrecht und römischem Recht schaffte, konnte sich in der Praxis als verschriftlichte  Zivilrechtsgrundlage in Flörsheim durchsetzen.
 

Das Flörsheimer Gericht im 17. und 18. Jhdt.

Galgen in einer “Ideallandschaft”, Franz Schütz (1751-1781). Ob der Flörsheimer Galgen ein “dreischläfriger” Galgen war, ist nicht bekannt. Die dargestellte Landschaft hat mit der realen Umgebung des Flörsheimer Galgens nichts zu tun. Der Schriftzug lautet: nolo peccare in te (Ich will mich nicht mehr an Dir versündigen).   Original im Museum Flörsheim

Dinstag den 14ten Aprilis Anno 1587 Seindt auß bemeldem der Ober und Underschulthes Zu Flersheim Vorbescheiden und befragt worden
Die Befragung geschieht offenbar durch eine Person des Domkapitels, deren Position es erlaubte, Ober- und Unterschultheiß vorzuladen.
Der Schulthes sagt er sei 5 Jahr ohngerichtlich Diener Zu Flersheim gewesen, Inmittelst  offen gefragt, was des gerichtsgebrauches seie und wie die ohngebotten Ding Zu halten hette auch gern ein gewißheit erkundigen aber solches nitt erlangen Konnen,
Der Oberschultheiß hat offenbar vom Gerichtswesen keine Ahnung, obwohl er seit 5 Jahren in irgendeiner Funktion in Flörsheim tätig war. Dabei hätter er nur den Unterschultheißen zu fragen brauchen. Offenbar war zu diesem Zeitpunkt die Rolle des Oberschultheißen noch nicht klar definiert.
Hierauff der Underschulthes befragt und Seiner pflichten darmitt er einem  hohen: Thumbcapitul verwandt Zum besten erinnert worden,
Sagt er wolle Alles trewlich anZeigen was Innethalb ertlich und Zwanzig Jahren jeder Zeitt gehalten worden, Erstlich es were weiter nichts dann was das gerichtsbuch aufweissen theet, der gerichts brauches halber vorhanden,
Der Unterschultheiß sagt, alles was es gibt zum Gerichtswesen gibt, steht im Gerichtsbuch (GB 1447-1613 GN).
Unterschultheiß war zu dieser Zeit der aus Weilbach stammende Georg Hart. Die 6 Schöffen waren  Adam Berll, Jeckel Donges, Philipp Schneider, Hans Einfels, Philipp Schmidt und Lorenz Bender.

Soviel aber die gerichtshegung anlang thue hette es diesen brauch, das so bald das gericht gesessen, der Schulthes den ersten Eltesten  Schopffen fragt, ob es Zeitt sei das gericht Zu hegen  Daruff geantwortet wirdt, Ja es dunke Ihn und seine gesellen Zeitt sein das gericht Zu hegen,
Dieses hat der Zweitt Schopff uff befragung In wes nahmen solche behegung beschehen solt, wirdt geantwortet Ihr solts hegen von wegen unserer gnadig herren Im Thumb,
gnadig herren im Thumb: Die Mainzer Domkapitulare , schopffen: Schöffen
Daruff der Schulthhes so den stab In handen das gericht hegt, Mitt diesen wortten, So hege Ich dieses gericht von wegen unserer gn. Herren Im Thumb, und verbiet alle schelt und Schimpfwortt vor diesem gericht, das auch Keiner dem andern In seine redten falle ohn erlaubdens das auch Keiner ohn erlaubdens auß dem gericht uffstehe, das auch Keiner nidersitze ohn erlaubdens,
     letzlich wirdt der 3 Schopff gefragt, ob das gericht recht gehegt sei, daruff Zu antwortten, es dunke Ihnen recht sein vor sich und seine gesellen,
Daruff der Schulthes antwortet, das ist eine urkunde von wegen unserer gnadigen herren Im Thumb,
Das peinlich gericht wirdt also gehegt, allein daß das wortt peinlich hinZugesagt wirdt,
Peinliches Gericht: bei Straftaten
Die drei ohngebotten ding werden gleichergestalt gehegt, darinnen den herren Ihre ... Zinßklagen berechtigen, und mussen die gerichtsschopffen den ganzen tag bei einander bleiben biß die Sonn undergangen ist.
Der Clager muß auch Seine Clag denselben morgen gethan, bei Sonnenschein gegen abend abermahls bei den Schopffen widerumb erhohlen,
daruff die Schopffen den Clager vor den Schulthes weissen, bei welchem er umb fried und bann ansuchen muß, derhalben der Schulthes den andern Morgen vor Mittag ein glock drei mahl  leuten lest, da dann die gemeindt beisammen, hat der Schulthes vor sich allein den Clager in die Underpfandt und erklagte guter einZusezen,
Mitt diesen wortten ohngewehrlich, Soh seze N.N. auß den Zins bar von guttern und seze N.N. ale Clagern und Zinsherren darinn, und gebe fried und bann, das keiner denselben außtreiben mocht, es geschehe dann mitt recht, wie Zu Flersheim breuchlich, doch ... aller Zinß und gultten oder was sich sonst darauf erfinden mag,
...chers  fragt der Schulthes einen Schopffen  ob er den Zinßherren recht eingesezt habe, der Schopff antwort Es bedunck Ihnen recht sein vor sich und seine gesellen
Der Schulthes schleust, Das ist ein Urkundt von wegen unserer HH Im Thumb
Da solches geschehen wirdt der Clager bei dem gutt als seinem Eigenthumb gehandthapt, und ist kein leßtungs Zeit  bestimmpt, sondern bleibe ewig also Ohngeruchtes die forderung wer 10 fl nicht belangen thutt, das erklagte aber wer 100 fl wehrt sein mocht
Der Kläger muss seine Schuldforderung am ersten Gerichtstag morgens und abends vorbringen. Am zweiten Gerichtstag lässt der Schultheiß eine Glocke drei Mal vor Mittag läuten und setzt dann den Kläger, wenn der Schuldner nicht bezahlen kann, als Eigentümer in die Güter des Schuldners ein (auf denen die Schuldforderung lastete). Das geschieht auch, wenn die Schuldforderung nur 10 fl beträgt, und die belasteten Güter 100 fl wert sind.
Dieses vom Schultheißen geschilderte Beispiel einer Schuldforderung ist eine Zivilklage auch in unserem heutigen Verständnis und wird in einem ungebotenen Ding verhandelt, nicht zu verwechseln mit einer Einwehrung (Beurkundung) in den turnusmäßigen Gerichtssitzungen.

Gerichtsbelohnung
Von einer Urkundt, als das sich ein prolmater Zuredt verdingt, gibt man 2 h
Ein Zeuge erhält 2 h.
Sonst hetten weder Schulthes oder Pedell einige belohnung,
Wenn sich aber einer fest machen oder wehren läst drei vierZehn tag nach einander uff welchen ein ganz gericht umb ... Jahr versamlet sein und wadten muß, gepurt dem gericht nach außgangk der Sechs wochen 2 fl beth, welche der Kauffer erlegen muß, wirdt also nach außgang der Sechs wochen kein abtriep der genandt ... gestattet, Er sei Inheimisch oder außlendisch, dargegen gibt das gericht dem Kauffer ein Imbis
In dieser Stelle der Gebührenordnung liegt der Schlüssel zum Verständnis der Endformel der Gerichtsbucheinträge von Einwehrungen, siehe im Text links. Für jede Einwehrung erhält das Gericht nach Ablauf der Frist von 6 Wochen 2 fl Gebühr, wenn in dieser Zeit kein Abtrieb gestattet wurde. Der Eingewehrte erhält einen Imbis.
Neben solchem gepurt dem gericht allen ohngebotten Dingstag Jedes mahl 2 vtl wein, welches der Schulthes Zu geben schuldig,
Dargegen er von Jeder wehrschafft Sechs Albus Ingewarten, das ubrig ahn den 2 fl gepurt den Schopffen, also mus der Schulthes, budel und gerichtschreiber Ihr gelag beZahlen, wofuren es Ihnen nit guttwillig nachgelassen wirdt,
An jedem ungebotenen Ding stehen dem Gericht 2 Viertel (8 Maß) Wein zu, die der Schultheiß bezahlen muss. Von den 2 fl, die ein Eingewehrter bezahlen muss, stehen dem Schultheiß 6 alb zu, den Rest erhalten die Schöffen. Schultheiß, Büttel und Gerichtschreiber müssen ihr gelag selbst bezahlen.  

Dem budel lohn wie Obrigkeitt, So hatt der gerichtschreiber sein Schreiblohn von dem Parrherren.
Von allen anderen sachen haben die gericht Zumahl nichts

No: Ins Gerichtsbuch wird mehr nitt geschrieben dann wehrschafften, Contract und Testamente  Aber alles was gerichtlich verhandlet und erkandt wirdt, geschieht alles mundtlich und wirdt Zumahl nichts protocollirt
Dergleichen beschieht auch uff den ohngebotten Dingtagen
Der Schultheiß sagt, dass in das Gerichtsbuch nur Einwehrungen, Verträge und Testamente eingetragen werden, und von den gebotenen und ungebotenen Dingen nichts protokolliert wird. Das Gerichtsbuch GB 1447-1613 GN enthält tatsächlich nur Grundstücksverkäufe, Einkindschafts- und Erbverträge und Testamente, womit klar ist, dass es ein weiteres Gerichtsbuch dieser Zeit vom Typ VS nicht gibt, dessen Existenz man hätte vermuten können.
Erstaunlich mag die Tatsache erscheinen, dass der Schultheiß das “Kleine Kaiserrecht”, siehe links, das in eben diesem Gerichtsbuch enthalten ist, nicht erwähnt. Dort ist z. B. bereits beschrieben, dass bei liegend Gut, Eigen und Erbe die Klage an vier aufeinander folgenden Gerichtsstagen im Abstand von jeweils 14 Tagen vorgebracht werden muss.
Die Erklärung liegt darin, dass zu dieser Zeit ein “Gerichtsbuch” als gebundenes Buch noch nicht existiert hat, und der Unterschultheiß das Kleines Kaiserrecht, das etwa 140 Jahre vorher niedergeschrieben worden war, vermutlich gar nicht kannte. Das Gerichtsbuch, das der Unterschultheiß meint, war ein Stapel von Gerichtsakten in Form loser Blätter, ebenso wie das Kleine Kaiserrecht. Erst 1597 wurden die Gerichtsakten und das Kleine Kaiserrecht in einem Buch zusammengebunden, siehe dazu Das erste Flörsheimer Gerichtsbuch.

No: alle die guter In der gemarcken haben, mussen alle ohngebottene ding tag selbsten oder durch ein Volmechtigen anwaldt erscheinen, und ob Jemandt Inklag anhoren wie dann auch den außlendischen beguterten,

So wol als den Nachbarn offenlich getroffen wirdt, also das welcher nitt bei bei dem ohngebotten ding  erscheindt, dem Schulthes 12 h Zugeben schuldig
Alle in der Gemarkung Begüterten, auch die “ausländischen”, müssen zu einem ungebotenen Ding erscheinen oder sich durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen.  Bei Nichterscheinen sind 12 h Strafe fällig.
Es musse auch die gemeindt bei einander bleiben biß das gericht gehegt, und die Clagen vorbracht seindt,
In dem Flersheimer weistumb stehe, das die herren von Erbach, die Cartheuser und die Jungfrauen Zu S. Claren sollen Ihr Dinckleutt uff alle ohngebotten ding Zu Flersheim ahn unser HH gericht han und da recht geben und nehmen gleich andern armen leutten die hinder unseren HH sizen Ihr Jeglich besonder,
Welches Weistum hier gemeint ist, ist nicht klar. Das Kloster Eberbach, die Karthäuser und das Clarenkloster müssen ihre Dingleute zu einem ungebotenen Ding schicken.
auch were es sach daß der Ehgenannte Dinckman einer abeging von todes wegen, So were auch vor HH ein besthaupt schuldig, gleich einem anderen armen Mann, und sollen die Closter von und ein ander sezen, welches das noch were,
Wenn ein Dingman stirbt (abeging), ist, wie auch von anderen armen Leuten (Eigenleuten/Leibeigenen), das besthaupt an das Domkapitel zu liefern. Das Besthaupt war das beste Stück Vieh, das bei Tod von Eigenleuten/Leibeigenen abgegeben werden musste. 
Auch were es sach das die Ehgenandten Dinckleutt auss blieben und nit ... werdten uff alle ohngebotten ding und unser HH gericht nitt besuchen, so werden sie als wol wedustig als ein ander arm Mann hirselben gesessen
Bei Nichterscheinen werden sie wie andere Leute auch behandelt.

Erste bekannte schriftliche Fixierung des Flörsheimer Gerichtswesens 1587
Wiedergegeben ist die erste von 4 Seiten            HHStAW 105/491

Die Seiten 2 und 3 des “Kleinen Kaiserrechts” in GB 1447-1613 GN.
Es wurde von dem Schreiber geschrieben, der das Gerichtsbuch 1447 begann.

Der zweite Absatz der linken Seite lautet in heutiger Schreibweise:
Der Kaiser hat geboten und bestätigt kraft des Kaisers Hulden und kraft aller seiner Macht, die er hat von seiner kaiserlichen Gewalt, dass man über alle diese Welt soll Gerichtes leben, als es der Kaiser hat gesetzt in des Reiches Recht. Wer das nicht tut, den hat er geschieden von allen den Gnaden, die zu dem Reich gehören. Er ist auch geschlagen von der Gewalt des bitteren Todes, also dass niemand mag an ihm freveln und niemand soll ihm auch kein Recht tun also lange, wie er aus des Kaisers Kaisertum ist und aus seinem Recht. Denn der Kaiser hat das Gericht gefunden der Welt zu Frieden und Nutzen, dass die Leute werden damit geschieden von mancherlei Sachen, davon großer Mord und Schaden geschehen mochte.
Wiedergegeben nach [Munzel-Everling  2003]; der dort angegebene Beginn des Prologs (Hier hebt sich an des Kaisers Recht ganz und gerecht, als es der König Karl ließ machen zu Frieden und Nutzen allen Leuten, da es Recht ist über alles Erdreich) steht allerdings nicht im Flörsheimer Gerichtsbuch.

Standort des Flörsheimer Galgens am Galgenweg (roter Punkt). Der Galgenweg führte von der Gerichtsstätte auf dem Mehlberg zum Galgen. Ausschnitt der Karte von 1850.

Vom Standort des Flörsheimer Galgens auf dem Galgenberg Richtung Süden. Die hellen Gebäude gehören zur Obermühle.     Aufnahme 2012

Der Galgenberg nördlich der Obermühle (Traiser´s Mühle)  Aufnahme 2011

Das historische Flörsheimer Gericht